Mit der feinen Pariser Gesellschaft ging ein bisschen die Fantasie durch als sie von den 'Schwarzen Messen' des jungen Baron Jacques d'Adelswärt-Fersen hörte. Seine Homosexualität allein wäre im Fin de Siecle, noch dazu im dekadenten Paris, kein Problem gewesen, doch darüber, dass der Baron auch immer wieder 15 und 16-jährige in seinen Kreis lud konnte und wollte man nicht hinwegsehen. Es kam also zum Skandal, der 23-jährige Baron wurde vor Gericht gestellt und kam für ein halbes Jahr ins Gefängnis. Einzig der Einfluss von Freunden, die im übrigen auch immer wieder Gäste dieser angeblichen Messen waren, verhinderte schlimmeres.
Nicht nur seine Rechte als Bürger verlor von Fersen, auch seine trotz seiner Homosexualität geschmiedeten Heiratspläne scheiterten. Galt er vor dem Bekanntwerden seines dekadenten Lebensstils als strahlende Partie, war es im danach nicht mehr möglich ein nur halbwegs ehrbares Fräulein zu finden um dessen Hand er anzuhalten wagen konnte. Baron von Fersen – den Zusatz 'von Fersen' gab er sich selbst, die Familie d'Adelswärt war mit jenem schwedischen Grafen entfernt verwand, dem eine Affäre mit Marie Antoinette nachgesagt wurde – verlies also Paris und übersiedelte nach Capri, wo er sich ein solides Häuschen errichtete: Villa Lysis.
'Amori et dolori sacrum' steht über den Eingang der im Jugendstil erbauten Villa. Hoch auf einem Hügel gelegen bietet sie, 'der Liebe und dem Kummer geweiht', einen unvergleichlichen Blick auf den Golf von Neapel. Bereits 2.000 Jahre von Baron von Fersen errichtete Kaiser Tiberius seine Villa Jovis; glaubt man den Quellen so war auch dieser nicht uninteressiert an jungen Männern. Und auch nach von Fersen Tod im Jahre 1923 kamen immer wieder Besucher auf die Insel, die dort nicht unbedingt nur nach malerischen Sonnenuntergängen und blauen Grotten suchten, sondern auch nach durchaus körperlichem.
Doch was bei den meisten eher eine Spekulation ist, hat bei von Fersen immerhin einen Namen: Nino Cesarini. 15 Jahre war dieser alt, als er ihn Rom kennenlernte und mit nach Capri nahm. Der ehemalige wurde erst sein Liebhaber und später eine Art Zeremonienmeister bei den Opiumgelagen, für die in der Villa Lysis extra ein Rauchsalon im chinesischen Stil eingerichtet wurde. Nino Cesarini stand auch immer wieder Modell für die antikisierten, viel zu schwülstigen Posen. Das Medium der Fotografie und Streben nach antiker Anmut liessen so unzählige Pin-Up-Bildchen entstehen, bei denen man lange nach dem künstlerischen Wert suchen muss.
Kokain und Champagner – Baron Jacques d'Adelwärt-Fersen entschied sich 1923 stillvoll aus dem Leben zu scheiden. Nino Cesarini erbte das Haus, konnte es aber kaum erwarten von der Insel wegzukommen. Käufer waren schnell gefunden, die Schwester des Barons war nun Besitzerin der Villa. Doch auch sie behielt die Villa nicht. Sie verkaufte sie weiter und langsam fiel das Haus in einen Dornröschenschlaf.
Um 2000 entschied sich die Verwaltung von Capri die Villa zu restaurieren und sie für Besucher zu öffnen. Geschichten, wie die des französchen Adeligen, der die Villa Lysis als Tempel seines dekadenten Lebensstils errichtete lassen sich ausgezeichnet vermarkten und laden vielleicht auch zum Träumen ein. Es müssen nun keine Träume von Knaben sein, wie sie von Fersen und Tiberius bevorzugten, auch rauschende Feste mit schön gekleideten Menschen lassen sich in dieser Kulisse zusammenspinnen.
Wer nun 8 Millionen auf dem Konto rumliegen hat, kann diese Träume sogar wahr werden lassen: Die Villa Lysis steht zum Verkauf. Mit einer Wohnfläche von 400 Quadratmetern und einem Grundstück von 20.000 ist dieses kleine Häuschen ein schönes Feriendomizil. Und für den noch nicht vorhandenen Pool findet sich auf dem kleinen Gelände vielleicht auch noch ein Eckchen.