Trends sind so eine Sache. Früher waren sie ein Instrument mit dem die Industrie gut hantieren konnte, heute hingegen geht alles und auch ohne lange Vorlauffristen. Mode wird gezeigt und ist fast im selben Moment schon für den Konsumenten zugänglich, teils weil die Designer noch während der Show eine Warenkorb-Funktion anbieten oder aber weil vertikale Anbieter das eben noch Gesehene schneller kopieren und somit schneller dem Massenmarkt anbieten können.
In den 50-er Jahren, das Internet war noch undenkbar, wurden sogar Journalisten für einen Zeitraum X mit einem Veröffentlichungsverbot belegt. Und gleichzeitig verkauften die Pariser Modehäuser nicht nur die Kleider sondern auch Schnittmusterbögen an Modeateliers auf der ganzen Welt. Man hatte dann ein rechtmässig kopiertes Kleid à la Dior oder Balmain und finanzierte gleichzeitig die Kreativität der Modehäuser. Und bis vor zehn Jahren war dies auch noch der Fall, erst mit dem Überexpandieren der Vertikalen kamen wir dahin wo wir heute sind.
Nun schreiben wir das Jahr 2011. Alles ist an fast jedem Ort der Welt greifbar, und plötzlich sehnen sich die Menschen wieder nach dem Besonderen. Die Mode im kommenden Jahr verheißt uns diesbezüglich viel Gutes. Die Stars unter den Modedesignern, von Jacobs über Pilati bis Simons, liefern ein Feuerwerk an Ausgefallenen und eben auch nicht Massenmarktkompatiblem. Mode ist in der kommenden Saison nicht beliebig und setzt wieder eine Auseinandersetzung mit sich selbst voraus.
Ich habe hier vornehmlich Modelle ausgesucht, die eher als extravagant gelten und in denen Frau eindeutig nicht der Masse entspricht. Marc Jacobs lieferte zu seiner Kollektion für Louis Vuitton gleich noch den philosophischen Text von Susan Sontag: "The relation between boredom and camp taste cannot be overestimated." Camp, das "unterlaufen und auf den Kopf stellen gängiger Hierarchien und Vorstellungen" (Andrea Bronstering in 'Mutter Camp'), führt dazu, dass nach einer Rückbesinnung auf Simplicity, wenn auch weit weniger als am Ende der 1990-er Jahre, wieder Opulenz und Lebenslust in den Modealltag einzieht. Die ornametalen Drucke und Stickereien, bezeichnenderweise in Form von aus Bananen und Affen zusammengesetzten Rocaillen, bei Prada sind ebenso stellvertretend für diese neue Lust am Kleiden wie die vielen Volants bei Yves Saint Laurent oder die mit Lurexfäden durchwirkten Disco-Ära-Kleider bei Louis Vuitton. Styleproofed interpretierte Camp à la Louis Vuitton in einen Interview als 'schwules Disco-Zeug', was fraglos auch nicht falsch ist. Das Ausbrechen aus Konventionen entsteht immer in Subkulturen.
Die neue Opulenz propagiert Weiblichkeit, ohne aber puppenhaft oder gar rüschig zu sein. Sogar Raf Simons konnte sich dem nicht entziehen und zeigt für Jil Sander fast barock anmutende, bodenlange Röcke und die vielleicht größten Blumendrucke der Saison. Auch hier kommt Camp zum Vorschein, als Kampf für das Schöne und gegen die allerorts propagierte Praktikabilität von Mode. So ist die von Simons gezeigte Idee von Kleidung nicht dazu da um den Körper zu bedecken, sondern fügt ihn in einen 'Käfig' und entschleunigt im positiven Sinne.
Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die auf die Straße übertragen lässt. Sicher ist aber, dass sich bei den Schweden oder Spaniern kaum viele dieser Entwürfe in kopierter Form finden lassen werden, zumindest hoffe ich dies sehr. Stattdessen hoffe ich auf eine umsatzstarke Saison und dass ich das ein oder andere Kleid von Prada, die Entwürfe von Pilati für YSL und die Sander'schen Röcke tatsächlich im Straßenbild sehe. Es würde mich sehr erfreuen.
Bilder von Prada, Louis Vuitton und YSL, alle von Style.com