2011/10/20

Sils Im Engadin - Ein Mystischer Ort...


Fragt man Leute nach Orten im Engadin, so bekommt man, sofern man überhaupt eine Antwort bekommt, zuerst St. Moritz zu hören. Der Ort, der vor allem mit dem internationalen Jet-Set in Mode kam, hat die meiste Strahlkraft. Doch ist es bei weitem nicht der einzige Platz mit beachtlicher Geschichte. Weitaus spannender ist Sils; und mehr noch der Ortsteil Sils Maria. 
Im späten 19. Jahrhundert als nicht nur der Tourismus eine erste Blüte erlebte, sondern auch die Schweizer Bergwelt Wanderer und Erholung Suchende anzog, entwickelte sich das Dörfchen zu einem magischen Ort, wo sich einige große Geister aus Kunst und Philosophie die Klinke in die Hand gaben. Noch heute zu besichtigen ist zum Beispiel das Haus, in dem Friedrich Nietzsche sieben Sommer lang (von 1881 bis 1888) verweilte. 
Nietzsche suchte die Ruhe und fand sie, und noch dazu fand er Linderung für seinen anhaltenden Kopfschmerz. Als 'blutsverwandt' beschrieb er die Landschaft mit den hohen Bergen und den einsamen Wäldern. "Im Engadin ist mir bei weitem am wohlsten auf Erden. Es kann gar nicht still, einsam und hoch genug sein."
Höher kann man zwar hinaus, aber trotzdem zählt dieses Fleckchen Erde zu den höchsten ganzjährig bewohnten Tälern Europas. Einsam ist es auch, zählt die Gegend doch nicht einmal 800 Einwohner. Mal abgesehen von den Touristen, aber zu Nietzsches Zeiten waren die wohl noch überschaubar. 

Anne Frank, 1935

Der Tourismus im Winter entwickelte sich erst später, hauptsächlich kam man zur Sommerfrische nach Sils. 1935 verbrachte auch die gerade einmal sechsjährige Anne den Sommer dort. Mit ihrem Vater Otto hat sie eine Unterkunft in der Villa Laret; auch andere Familienmitglieder verbringen die Ferien im Engadin. Der Nachname des Mädchen lautet übrigens Frank. Knapp zehn Jahre später stirbt sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen. 
2009 erschien im Fischer Verlag ein Buch über die Geschichte der Familie Frank. Grundlage bilden Dokumente, die auf dem Dachboden von Buddy Elias gefunden wurden, Anne's ungefähr gleich altem Cousin. Darin kann man lesen, dass Anne Frank einen schöne Zeit in der Schweiz hatte, unbeschwert und leicht.

Gerhard Richter, Sils Maria, 1989

Viele Orte bekommen eine Aura übergestülpt, einfach weil irgendwann mal jemand diesen Ort besuchte. Waren es sogar zwei oder mehr bekannte Persönlichkeiten entstehen schnell kulturelle Wallfahrtsorte. Bedenkt man allein wo Goethe überall war...
In Sils war der zumindest nicht, dafür aber finden sich die Spuren von Thomas Mann, Max Liebermann, Marc Chagall, Hermann Hesse, und vielen anderen mehr. Vor allem das Hotel Waldhaus bot ihnen eine Heimat für den Sommer. 
1908 eröffnete Josef Giger das Haus, in den noch immer die Kultur großer Grand Hotels hochgehalten wird. Erfahrung sammelte Giger in Intalien und Russland, aber auch im nahegelegenen St. Moritz. Sein Haus bot aber noch etwas viel endscheidendes als die anderen, nämlich die Ruhe aus der heraus Meisterwerke entstehen können. 
Noch immer ist das Haus in Familienhand; keine große Kette 'kümmert' sich um das Wohl der Gäste, sondern die immerhin fünfte Generation. Begrüßt wird jeder Gast vom Hoteldirektor persönlich. 220 Gäste finden maximal Platz und wenn man Glück hat trifft man Gerhard Richter in der Halle oder Jonathan Meese im Speisesaal. Ja, auch die Größen unserer Zeit finden den Weg ins Engadin, und Sils findet den Weg in ihre Kunst. 
Richter ist fasziniert von der Bergwelt, gleich mehrere Arbeiten zeugen davon. Er nimmt Fotografien als Grundlage und bringt darauf die Farbe auf. Blutrot wird der Schnee gefärbt, er bekommt etwas bedrohliches. Für Meese hingegen sind es die, die ihre Spuren hinterlassen haben, die er zu Papier bringt. Nietzsche natürlich allen voran; bedrohlich und finster. Hier kommt die dunkle Seite der Alpenwelt zum Vorschein und vermischt sich mit dem großen Denker. Jene Blutsverwandtschaft,  nach der Nietzsche es verlangte macht Meese sichtbar.

Jonathan Meese, Sils Maria, 2004

Eine Reise in der Bergwelt ist zu jeder Jahreszeit spannend, sei es zur Sommerfrische oder zum Ski fahren. Und selbst einmal die Tage einfach im Hotel Waldhaus verstreichen zu lassen, kann eine gute Idee sein. Auch wenn man vielleicht nicht das Talent eines Gerhard Richter oder die geniale Schreibe eines Thomas Mann hat, ist es sehr unwahrscheinlich, diesen Ort gänzlich uninspiriert zu verlassen. 
Um in der eleganten Welt der Schweizer Hotellerie auch adäquat ausstaffiert zu sein, habe ich noch ein paar Looks herausgesucht, die wunderbar in diese Welt passen würden. 

Alexander Wang / Jil Sander / Moncler Gamme Rouge

Marni / Duckie Brown / Mahirayasuhiro

Nachdem ich nun mit dem Schreiben des Posts fast fertig bin, vor allem aber in den letzten Stunden viel über den Ort und die ihn umschließende Aura gelesen habe, hätte ich nicht wenig Lust meine Sachen zu packen und hinzufahren. 

Bilder von hier, hier, hier, hier und hier