2021/12/21

Wie's in Rom weiterging

Wir haben in Rom einen Schatz gefunden, den wir nun nicht mehr so schnell loslassen wollten. Nichts materielles, einen Wissenschatz. Bereiechernd und wertvoll. 

Frau Dr, Susanne Hohwieler begleitete uns also nicht nur durch die vatikanischen Museen, sondern wurde von uns für zwei weitere Touren angeheuert. Nach etwas hin und her, auch das Wetter kam als Faktor hinzu, entschieden wir uns für 'Barocke Lebenswelten' und für einen Rundgang durch die Villa Borghese.

Der Barock ist unverkennbar mit Rom verbunden, die Kirchenbauten und Paläste mit all ihrem Überschwang und ließen diese Kunstrichtung zu unermessliche Höhen steigen. Natürlich ist die Ranaissance der Schlüssel und der Ausgangspunkt in Kunst und Wissenschaft, der Barock bringt aber erst die Schnörkel ins Spiel und boten den Päpsten die notwendigen Stilmittel um die Selbstüberhöhung im Namen Gottes zu feiern. Die Päpste übten sich in Demut und ließen in ihren Namen Nepoten für Glanz und Pomp sorgen. Darauf will ich aber gar nicht eingehen, das ist bei Wikipedia unter 'Der Nepotismus am Heiligen Stuhl' ganz gut beschrieben. 

Innozenz X., von ihm gibt das berühmte Bild von Velázquez, an welchem sich später auch nich Francis Bacon abgearbeitet hat, pflegte den Nepotismus wie seine Vorgänger und Nachfolger. Den Palast der Familie mit illustrer Ahnenreihe, auch heute noch bewohnt von Nachfahren, besuchten wir und tauchten ein jene Welt als Schein und Sein. 


Eine Galerie, die sich um einen Innenhof legt mit Terrakottafließen an Boden. Rom ist heiß Sommer, die Böden boten Kühle. Durch die abgedunkelten Fenster, strahlten sie elektrischen Ersatzkerzen um so mehr und man konnte sich gut hineinversetzen in jenes Gefühl, welches den Besucher vor mehr als 300 Jahren vermittelt werden sollte. Selbst die Plastikschonbezüge über den Polstern kann man schnell vergessen. Jedes Bild an der Wand ist jedes Bild ein Kunstwerk, allerdings hängen dann da noch der schon erwähnte Velázquez  und eine halbe handvoll Caravaggios... Man verliert schnell den Blick fürs Detail, ist überwältigt und satt im besten Sinne des Wortes. 

Was bedeutet ein Vermögen, dass man nicht veräussern darf? Milliarden an der Wand und ein immaterielles Erbe in jeder Fuge, das Damokles-Schwert des Verfalls immer über den Köpfen schwebend. Wir wunderten uns Anfangs über verschlissene Vorhänge, die man ja auch als Charme abtun kann. Die Unterhaltskosten für einen solchen Palast lassen sich aber gar nicht ermessen, wodurch dann eine Öffnung nach aussen folgerichtig ist. Heute werden die Räume nicht nur durch Touristen wie uns durchstreift, sie werden auch gerne von Banken und Versicherungen angemietet. Der Barock hat nichts an Anziehungskraft verloren und bietet auch im 21. Jahrhundert noch eine Bühne zur Selbsterhöhung. 
 
 
Auch die Villa Borghese, Ziel unserer zweiten Tour mit Susanne (Wir waren da schon beim Du.), diente zur Darstellung päpstlichen Ruhmes durch seine Nepoten. Diese Villa war nie Wohnraum, sie war ein Festsaal für die Kunst und wieder waren es Caravaggios denen wir Aufmerksamkeit schenkten, der rote Faden unserer Romreise. Aber auch Plastiken von Bernini, wie der im Bild zu sehenden Verwandlung der Daphne nach Ovid. Faszinierend mit welcher Leichtigkeit die Figur schwebt, wie jedes Detail leicht wird. Apollo's Locken, das Tuch um seine Hüften, alles möchte man Anfassen um sich zu versichern, dass es doch aus dem harten Stein gemeiselt ist. 

In jedem Raum wurden zwei oder drei Werke herausgriffen und etwas tiefer betrachtet, nur um dafür 100 andere zu ignorieren. Wir waren nach drei Stunden auch körperlich fertig. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, auch nach nahezu drei Wochen habe ich noch nicht alles verarbeitet. Ich schaue die Bilder an kann die Eindrücke dieser doch nur sechs Tage noch nicht zusammenbringen. Das wird wohl auch noch etwas dauern. 

Fest steht, dass ein weiterer Besuch in Rom Pflicht ist und auch die ein oder andere Tour mit Susanne geplant ist. Die Münze in den Trevi Brunnen zu werfen war gar nicht nötig, Rom begeistert an allen Ecken und Enden. 

2021/12/11

Rom als ungeplante Bildungsreise

Nun liegt die Rom-Reise schon wieder etwas über eine Woche zurück und die ganzen Eindrücke sind noch immer nicht verarbeitet. Was als kleine Reise mit ein paar Museen geplant war, hat sich zu einem Highlight entwickelt, dass in Erinnerung bleiben wird. Nicht nur der gelungenem Überrraschungsbesuch lieber Freundinnen bereicherte die Tage auf unbeschreibliche Art und Weise, sondern auch die glückliche Fügung eine tolle Frau kennenlernen zu dürfen, die uns zum staunen brachte. Hier nun der kurze Abriss der Reise.

Nach unserem abgesagten Sizilien-Trip galt es die Flüge umzubuchen, so kam uns Rom in den Sinn und die Woche rund um meinen Geburtstag schien ideal. Statt Hotel haben wir uns auch für eine Wohnung entschieden, auch um auf eventuelle Reisebeschränkungen oder Reklementierungen besser reagieren zu können. Die Wohnung lag im Herzen der Stadt, zwischen Spanischer Treppe und Fontana di Trevi. Ein Supermarkt war nebenan, ein Restaurant gab es im Erdgeschoss - besser ging es also gar nicht. Die Wohnung hatte zwei Schlafzimmer, zwei Bäder und auch das Sofa konnte man zum schlafen nutzen. Es war Platz für sechs, allerdings war es für vier Leute bequemer und ideal für uns zwei. Von vornherein geplant war, dass eine Freundin zu uns stösst. Erfreulicherweise hatte die aber noch drei weitere im Gepäck... Sie hatten ebenfalls  eine Wohnung gleich um die Ecke, bei uns war dann für die kommenden Tage die Frühstückslocation und der Ausgangspunkt für Erkundungen.

Im Gegensatz zu meiner eigentlichen Angewohnheit Reisen durchzuplanen, habe ich mich diesmal für treiben lassen entschieden. Rom bietet einfach zu viel und an jeder Ecke gibt es spannendes zu sehen. Kirchen natürlich in erster Linie, aber auch wunderschöne Plätze und Architektur. Es gab Pflichtpunkte, die wir auch abgearbeitet haben. Das Koloseum haben wir bei einem Abendspaziergang umrundet, das Pantheon haben wir bestaunt und im Peterdom waren wir. Natürlich sind diese Bauwerke alle erstaunlich, beeindruckend und nachwirkend. Aber sie wurden einfach durch weitere Erreignisse in den Schatten gestellt. 

Einzig geplante und vorgebuchte Aktivität war der Besuch in den Vatikanischen Museen, nicht zuletzt wegen der sixtinischen Kapelle. Beim Buchen der Tickest wurden auch die verschiedenen Führungen angezeigt, auf das Wort VIP bin ich dann sofort angesprungen und wußte, das auch nichts anderes in Frage kommt. Die Eckdaten: Einzelführung vor Öffnung der Museen, individuelle Gruppe, Sprache der Wahl, Frühstück im Garten. Ok, das war es genau mein Ding. Weniger wegen des Frühstücks, welches am Ende auch besser war als gedacht, sondern wegen der Aussicht einen Guide nur für uns zu haben. Ich hab die Tickets also gebucht, aufstocken vo 3 auf 6 war auch möglich, und die Vorfreude war groß. 

 

7:30 Uhr, Treffpunkt in der Museumshalle... Wir kamen zwar verschlafen an, ich bin mir aber sicher, dass wir schnell ziemlich wach wurden als wir das leere Treppenhaus hinaufstiegen und die leeren Säle betraten. Das Sonnenlicht schien durch die Fenster und erleuchtete die Karten im Kartensaal, die Skulpturen zeigten sich uns von ihrer schönesten Seite und die Tapeserien entfalteten ihre Pracht. Konnte das noch gsteigert werden? 

Ja! Nur wir vor Raffael's 'Schule von Athen' in der Stanza della Segnatura. Es gibt Kunstwerke, die jeder schon einmal gesehen hat, die in Büchern, egal ob Geschichte oder Kunst oder Philosophie, abgebildet und zitiert werden und die letztendlich auf Postkarten landen. Das ist definitiv eines davon. Es war beeindruckend, wunderschön. Und bereichernd!

 

Aber auch das hat sich noch steigern lassen. Natürlich gehört das Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle zum Pflichtprogramm, es macht aber einen Unterschied ob man fast allein in der Kapelle steht oder zusammen mit vielen vielen anderen. In unserem Fall waren es circa 20 Leute, was in Anbetracht der Raumgröße quasi nichts ist. Ja, ich habe auch kurz mit den Tränen kämpfen müssen. Die Berührung von Gott und Adam wurde kitschig verklärt, ist aber tatsächlich sehr ergreifend. Die Schönheit der Farben, das geniale in Michelangelos Komposition haben mich kurz mit dem Gedanken spielen lassen einfach ein bisschen zu weinen. 

Es ist schwer diese Eindrücke in Worte zu fassen, weil sie im Nachhinein bereits wieder unreal erscheinen. 

Es kommt aber ein weiterer Faktor hinzu, der dieses Erlebnis so unglaublich wertvoll macht. Ganz abgesehen davon, dass ich diese Momente mit wirklich wichtigen Menschen habe teilen können, trug unserer Führerin dazu bei, durch ihr Wissen und die Kunst dieses zu vermitteln, die Bilder und Zeit ihres entstehens lebendig werden zu lassen. Als promovierte Historikerin und einen weiteren Doktortitel in Philosophie führte sie uns nicht nur lapidar durch die Sammlungen, die konnte die Sachen vor allem im Kontext ihrer Zeit erklären. 

Ich werde wohl einen weiteren Post zu diesem Thema verfassen müssen, schließlich begleitete und bereicherte uns Susanne noch an zwei weiteren Tage. Mehr dazu bald...

2021/12/05

VALENTINO, Rome...

Nahe der Spanischen Treppe in Rom liegt das Stammhaus von Valentino. Eigentlich sind es mehrere Häuser, die sich um einen Platz gruppieren und das Herz der Marke bilden. Schaut man aufmerksam nach oben, sieht man hinter Fenstern Kleider entstehen und die fleißigen Hände in den Ateliers wirbeln. Es geht ein Zauber von diesen Mauern aus, vergleichbar mit der Rue Cambon oder der Avenue Montaigne. 

Die Schaufestern strahlen, die Vorweihnachtszeit wird auch bei Valentino mit Pailletten und Federn zelebriert. Die neuesten Schuhe sind genauso ausgestellt, wie die klassischen Rockstuds. Die neuen Roman Studs zieren Taschen und Schuhe. Schwellenangst, die diese ehrfurcherbietenden Mauern verursachen könnten, verfliegt schnell. Die Mitarbeiter sind alle mehr als freundlich. Vielleicht ist das die Philosophie des Hauses oder aber der Krise geschuldet, an der auch große Marken durchaus zu knabbern haben können. Asiatische Touristen und Reisende aus dem Golfstaaten sind aktuell einfach kaum sichtbar in Rom, somit fehlt diese Kaufkraft auch in den Flagshipstores. 

Umschauen, anfassen, anprobieren ist also kein Thema, wir wurden sogar ausgesprochen dazu ermutigt. Bei drei Etagen Herrenmode und Accessoires beginnt dann auch genau hier das Dilemma. Alles ist einfach wunderschön. 

Angefangen hat es mit diesem wunderschönen Wollmantel, der schon vom Treppenabsatz aus meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich habe ein Faible für ungefütterte Mäntel und Jacken aus Double-Face Wolle. Kommt dann noch etwas Kaschmir hinzu, ist es um mich geschehen. Doch das allein war es dann noch nicht. Applizierte Schmetterlinge können bei anderen Marken schnell zu Kitsch ausarten, bei Valentino heben sie das Stück noch etwas mehr. Der Mantel wurde also angezogen, er passte. Innerlich begann ich meinen Kontostand abzugleichen und kam schnell zu dem Schluss, dass er nicht drin ist. Ich spielte auch mit offenen Karten diesbezüglich. In anderen Geschäften werden die Verkäufer dann unsichtbar und vermitteln das Gefühl, man würde ihre Zeit verschwenden. Vincent, so hieß der Herr in diesem Fall, veränderte stattdessen seinen Blickwinkel und wurde zum Marketingprofi. Statt uns kurzsichtig Kleidung verkaufen zu wollen, verkaufte er uns die Philosophie des Hauses Valentino, die Handwerkskunst und Ästhetik hinter dem Produkt. Er hatte selbst Freude an den Dingen, wertschätzte und liebte jedes einzelne Detail. 

Ja, ich konnte seine Leidenschaft teilen. Männermode kommt viel zu oft nicht über Sweatshirts mit Markenlogo hinaus. Die Fantasie wird nicht angeregt. Hier war das Gegenteil der Fall, Träume in Stoff hingen auf den Bügeln. Ich trug einen Caban mit Stickeren aus Pailletten, die sich zu einem Karomuster fügten, einen Mantel, dessen Muster durch einzeln von Hand auf Tüll genähte Wollbahnen entstand und ein Cape, das auf meinen Schultern schwebte... Jedes Stück war handwerklich so nah an Couture, wie es eben für Ready-to-wear möglich ist. Tragbare Kunstwerke, die mich trotzdem nicht kostümiert aussehen ließen. Sie passten, sie wirkten selbstverständlich, sie werden zukünftig Richtmaß sein. 

Man probiert solche Teile nicht ohne Folgen. Man schult den Blick für Ästhetik, für Details. Die Finger spüren den Stoff und seine Haptik brennt sich ein. Diese Teile erheben. Nicht aber, weil das Logo Brust und Rücken ziert, sondern weil sie nach innen strahlen. Es geht nicht darum der Aussenwelt plump zu zeigen was man hat, sondern das Ich zu erheben. Es ist wie ein gutes Buch, ein guter Wein, gutes Essen. Nachhaltig bleiben Erinnerungen, die dann zu bewußtem Konsum führen. Das ist sicherlich zu philosophisch gedacht und es wird auch Menschen geben, die Stücke dieser Art konsumieren, entsorgen, neu konsumieren. Aber trotzdem kauft man Teile, die langlebig sind, weil sie eben gar nicht aus der Mode kommen können.

Was zählt ist in Geschäften auf Menschen zu treffen, die dem vielleicht weniger geschulten Kunden dieses Erlebnis vermitteln können. Die Kunst des Verkaufens besteht meiner Meinung nach nicht darin stumpfsinnig Ware anzuschleppen und dem Kunden nach dem Gießkannen-Prinzip überzugießen in der Hoffnung, dass er schon irgendwas mitnehmen wird. Nein, ganz im Gegenteil. Es geht darum Begeisterung zu wecken und ein Erlebnis zu kreieren, dass langfristig den Kunden in Erinnerung bleibt. Diese Erlebnisse bleiben und sorgen so dafür, dass auch das Geld am Ende in die richtigen Kanäle fließt. Wo gibt man sein Geld am liebsten aus? Da, wo das gute Gefühl auch langfristig bleibt!