2010/11/08

Misia, Eine Muse...


Misia Sert oder Misia Natanson oder Misia Edwards, und letztendlich geboren als Maria Sophie Godebska, war Muse vieler bedeutender Künstler und gleichzeitig ist ihre Geschichte mit der von Coco Chanel und dem Erfolg anderer Größen der Couture und Kunstgeschichte untrennbar.
Misia wurde 1872 in St. Petersburg geboren, wuchs aber bei der Großmutter in Belgien auf. Ihr Vater war Bildhauer und auch im Haus der Großmutter gingen Künstler ein und aus. Durch die Ehe mit Tadeusz Nantanson machte sie letztendlich Bekanntschaft mit Renoir, Toulouse-Lautrec und später mit Picasso. Sie wurde gemalt und sogar in Romanen verewigt, die Größen des Fin de Siecle gehörten zu ihren Freunden. "Sie war eine der betörendsten Erscheinungen der 'Belle Epoque', ihre makellose Haut und formvollendete Figur, ihre lässige, raffinierte Eleganz, ihr Charme, Esprit und ihre Bildung regten Renoir, Edouard Vuillard und Toulouse-Lautrec zu berühmten Portraits der Mäzenatin an.", so schreibt Rudolf Kinzel in 'Die Modemacher' über Misia.

Misia Sert, gemalt von Renoir

Sie taucht mehrfach in diesem stellenweise zum anekdotischem neigenden Buch auf, zum ersten Mal im Zusammenhang mit den avantgardistischen Entwürfen von Paul Poiret. Seine Modelle befreiten die Frau aus dem Korsett und machten sie zu Haremsdamen. Und obwohl Misia aufgrund ihrer weiblichen Rundungen nicht die Idealfigur für Poiret's Entwürfe war, er bevorzugte den Frauentyp der später als 'Garçon' oder 'Jazz Babe' bekannt werden sollte, machte er sie zu einem Leitbild dieser neuen Mode – die Frau ab dreißig war das neue Ideal. Da Misia der gesellschaftlich Mittelpunkt war, auch bedingt durch ihre zweite Ehe mit dem Millionär Alfred Edwards, setzte sich Poiret's neuer Stil schnell durch und wurde von 'Tout Paris' getragen.
Im Jahr 1917 lernte Misia Sert dann bei einem Dinner Coco Chanel kennen. Die Entwürfe der Putzmacherin kannte sie bereits ("Es gibt da so eine kleine, komische Putzmacherin.", verkündete die Schaupielerin Gabrielle Dorziat und machte so 'Tout Paris' auf Chanel aufmerksam.) und war nun sowohl von deren geistreicher Art als auch von deren Mantel angetan. Aus einem weiteren Abendessen entstand eine lebenslange Freundschaft. Coco Chanel begleitetete Misia auch auf deren Hochzeitsreise nach Venedig, nach zwölfjährigen Zusammenleben heiratete Misia 1920 den spanischen Maler José Maria Sert y Badia. Diese Reise brachte Chanel der Kunst Botticellis und Tintoretto's näher. Und sie lernte Serge de Diaghilew kennen, den legendären Choreographen und Erfinder des 'Ballet Russes'. Aus dieser Bekanntschaft heraus entstand Chanel's Interesse an Russischem, sie stellte Prinzessinnen und Großfürstinnen als Mannequins ein und machte ihr Haus zu einem Auffangbecken russischer Emigranten und deren mitgebrachter Kultur. Misia Sert ist somit nicht unbedeutend an der Stilprägung Chanel's und selbst die Idee zu Nr.5 kam mehr oder weniger von ihr: "So ein Parfum ist ein Geschäft für alle Zeiten, für alle Krisen."

Misia Sert in Chanel, 1947 in Venedig

Doch die russischen Emigranten waren auch nicht unerheblich am Scheitern von Misia's Ehe beteiligt. José Maria Sert begegnete im 1925 der Exilrussin Roussadane Mdivani. Sie und ihre vier Geschwister (die Schwester Nina, und die Brüder Alexis, Serge und David) kamen in den Wirren des Krieges über Europa und haben es sich zum Sport gemacht sich gut zu verheiraten. Besonders reiche Erbinnen und Hollywoodstars wurden als Ziel auserkoren. Barbara Hutton, Louise van Alen (Astor) und Pola Negri erlagen ihnen. Coco Chanel war ebenfalls als 'Opfer' auserkoren, konnte aber widerstehen. Nina Mdivani, als Anwaltsgattin, regelte alle Angelegenheiten bis hin zu den Scheidungen. Auch Misia's Scheidung von Sert wurde von den Mdivanis geregelt, fraglos auch die gleich darauf folgende Hochzeit zwischen Sert und Roussadane.
Für Misia war es ein schmerzlicher Verlust und noch dazu kam, daß um die Ehe auch kirchlich annullieren zu können ihr die Schuld für das Scheitern zugesprochen wurde. Als Grund wurde Kinderlosigkeit angeführt, dabei war Misia bereits 48 Jahre alt als sie und Sert heirateten.
Nach Roussandane's frühem Tod, den meisten der fünf Geschwister war kein langes Leben beschieden, kamen Misia und Sert wieder zusammen. Zumindest insofern, dass sie wenn auch nicht das Bett doch wenigsten den Tisch teilten. 1945 starb Sert in seiner Heimat Spanien. Misia schrieb an Chanel: "Mit seinem Tod verlor mein Leben jeden Sinn."
Morphiumsüchtig und gebrechlich erlag sie am 12. Oktober 1950 ihren körperlichen und geistigen Leiden. An ihrem Sterbebett wachten Paul Claudel, Jean Cocteau und natürlich Coco Chanel.
Misia Sert war, ähnlich einer Daphne Guinness, eine Muse, Inspiration für Künstler und Designer. Und dank Proust, Renoir und Toulouse-Lautrec ist sie auch ein Stück weit unsterblich geworden.