Madeleine Vionnet war eine der größten Designerinnen des 20. Jahrhunderts. Die Kunst ihrer Mode bestand im schrägen Zuschnitt der Kleider, was eine neue fließende Silhouette ermöglichte. Wie alle Designer ihrer Zeit erkannte sie die Möglichkeiten, die sich durch Lizenzgeschäfte in den USA boten. Über diese Thema referiert heute Christine Waidenschlager.
Ort: Vortragssaal Kulturforum
Zeit: 18:00 Uhr
Und darum ging es heute: Rollen wir den Vortrag mal ein bisschen von hinten auf und fangen mit dem Ende an. Die Frage die in den Raum gestellt wurde, war folgende: Soll in der Modegalerie im Berliner Kunstgewerbemuseum ein Kleid ausgestellt werden, dass zwar dem Etikett nach von Madeleine Vionnet stammen soll, aber nach umfassender Recherche bestenfalls ein Lizenzprodukt aus den USA ist, schlimmstenfalls aber auch einfach eine Fälschung sein kann? Es wurde im Saal mit ja beantwortet, vorausgesetzt, dass die komplette Recherche dazu ebenfalls dem Publikum nahe gebracht wird. Etwas besseres hat dem Museum doch eigentlich auch gar nicht passieren können, schließlich bekommt das Kleid eine Geschichte die zu dem noch die Mechanismen der Mode aufzeigt.
Madeleine Vionnet war eine Pionierin in der Mode in zweierlei Hinsicht, zum einen war sie eine Schnittkünstlerin, die noch heute Designerinnen beeinflusst, aber sie war auch einen Vorreiterin was den Marken- und Modellschutz anbelangt. Sie kämpfte erfolgreich für die Anerkennung der Haute Couture als Kunst, was eben auch bedeutete, dass Kleider nicht mehr straffrei kopiert werden konnten. Nicht nur Prozesse gegen Nachahmer wurden geführt, auch Annoncen wurden geschaltet, die verkündeten, dass Kleider von Vionnet ausschließlich in ihrem Salon in Paris zu beziehen sind und alle anderweitig angebotenen Produkte Nachahmungen sind. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Pressemitteilungen von Chanel von vor 2 Jahren? So ging Vionnet schon um 1920 vor.
Eine weitere grandiose Neuerung war die Katalogisierung jedes einzelnen Modells durch die Vergabe von Nummern und das Anlegen von Fotoarchiven. Ein gewaltiges Archiv entstand so, es ermöglicht heute das Auffinden jedes einzelnen Modells der Vionnet'schen Couture. Allerdings wurden nur die Originale abgelichtet. Seit Mitte der 1920-er Jahre drang Madeleine auf den amerikanischen Markt vor, in dem sie Lizenzverträge mit dem amerikanischen Retailer Hickson abschloss. Die dort verkauften Modelle hatten einen Schnitt von Vionnet, wurden aber aus amerikanischen Stoffen und von amerikanischen Näherinnen gefertigt.
Das Kleid im Berliner Museum, Seidengeorgette mit einem Perlen gestickten, antikisierten Pferdchenmotiv, stammt von 1924 und aus den USA. Es ist also schon einmal als Lizenzprodukt zu erkennen. Ein Originalkleid stammt von 1921 und zierte sogar die Wandmalereien im Saal des Couture Salons. Frau Waidenschlager nahm die Zuhörer mit auf eine Reise in die Mechanismen der Couture und zeigte gleichzeitig auf, was ihre tägliche Arbeit innerhalb der Sammlung ist. Sicherlich sind viele der Kleider eindeutig zuzuordnen, weitaus spannender ist aber eben die Recherche und fast detektivische Spurensuche nach den Wurzeln von Kleidern. Es war ein spannender Vortrag, ein sehr spannender.