2015/05/29

Entdeckung: Wolkentrinker Von Fritz J. Raddatz...

Die Flucht in den Osten hat es ja manchmal wirklich gegeben, wenn auch eher die andere Richtung die bevorzugte war. Fritz J. Raddatz ging 1950 nach dem Abitur in den Osten und auch den 'Helden' seines Romans Wolkentrinker schickt er auf diese Reise. Bernd ist Fritz, das ist klar, allerdings hielt es Fritz dann doch ein paar Jahre länger in der DDR und ging erst 1958 nach Konflikten mit den Parteibehörden zurück in den Westen. 
Wolkentrinker ist also so etwas wie eine Biografie, aber auch eine Reise in ein Zwischenland. Zwei Staaten, die eigentlich aus dem gleichen Holz geschnitzt sind versuchen sich eine neue Ordnung aufzubauen und auf unterschiedliche Art und Weise das Vergangene zu verarbeiten (oder in zugigen Kellerlöchern zu verscharren). Idealisten konnten sich eine neue Heimat schaffen und wurden angelockt durch falsche Freiheitsversprechen. 
Doch liest man genau in den Roman hinein war es weniger ein Staatengebilde was verlockend war, als zuerst eine Frau, dann ein Mann und schließlich auch das eigene Ego, das mit bürgerlicher Rhetorik proletarische Aufsteiger platt zu machen vermochte. Bernd zumindest beeindruckte mit Weltläufigkeit, Neugier und Schlagfertigkeit, aber auch mit Westzigaretten. Er entlarvte sich dann selbst und fand nur noch in der Theorie des gewählten, gelobten Landes einen Platz, nicht aber in der gelebten Realität eines seine Überwachungsmechanismen aufbauenden Staates. Nicht die Geschichte überrollte ihn, er warf sich selbst unter ihre Räder und erkannte vor lauter Ehrgeiz und Idealismus die Zeichen der Zeit nicht. Die herannahenden Panzer des 17. Juli 1953 wurden eher am Rande wahrgenommen und wirkten kurz als Störfaktor für das bevorstehenden Examen. Doch während andere für ihr Leben demonstrierten, arbeitete sich Bernd sein eigenes Leben zurecht. Das Ich stand wieder vor dem Wir, worauf die DDR eigentlich aufgebaut werden sollte. Nach dem Erkennen kommt als einzige Alternative der Weggang in Frage und schließlich endet das Buch am Flughafen Tempelhof. 
Fritz J. Raddatz gilt zurecht als eine der herausragenden Persönlichkeiten der Bundesrepublik, wenn auch nicht ganz ohne Einschränkungen. Er leitete den Feuilleton der Zeit, stolperte dann aber über Goehte, schrieb einige Bücher und entschied sich schließlich Anfang diesen Jahres für den begleiteten Suizid in der Schweiz. Radikal und selbstbestimmt, frei. 

'Wolkentrinker' von Fritz J. Raddatz gibt es nur antiquarisch zu kaufen!

2015/05/22

Wohnzimmerkonzert Mit BRTHR...

Am vergangenen Freitag hatten wir das Vergnügen bei einer Freundin zu einem Wohnzimmerkonzert eingeladen zu sein, gespielt haben BRTHR aus Stuttgart. Meinen Musikgeschmack haben die beiden mit ihren Folk angehauchten Songs auf jeden Fall getroffen. Und nicht nur meinen...



2015/05/21

Modenschauen, Präsentation Des Vermeintlich Neuen...

Zehn Minuten dauern heute Modenschauen ungefähr, geht es länger wird das Publikum leicht unruhig. Eine Verspätung ist akzeptabel, man kann entweder noch schnell Mails lesen oder in seinen sämtlichen Social Media Plattformen rumhängen, natürlich auch Selfies posten. Aber stillsitzen und zuschauen geht wirklich nur für eine handvoll Minuten. Das war mal anders, noch in den 1990-er Jahren leisteten sich manche Designer den Luxus ein kleines Abendevent aus einer Kleiderpräsentation zu basteln, die Mädchen tänzelten und liefen manchmal sogar zweimal hin und her. Undenkbar heute. Wenn eine Designer seinen Models ein Lächeln abverlangt ist das eine Erwähnung wert, aber mehr als gerade aus laufen oder gar eine Drehung in der Mitte des Laufstegs ist wirklich nicht mehr drin. 
Modenschauen verschlingen Millionen und sollten wohl ganz oben auf der Liste von dekadentem Luxus stehen. Sie bringen ein vielfaches davon wieder ein, wenn es dem Designer gelingt den Funken überspringen zu lassen. Gerade erst haben uns Raf Simons für Dior und Nicolas Ghesquiere für Louis Vuitton mit nach Califonien bzw. Südfrankreich genommen und den Wunsch in uns zu wecken vermocht doch genau jene Teile haben zu wollen, die vielleicht in einer dunklen Halle präsentiert weit weniger reizvoll erscheinen würden. Deko ist alles, manchmal mehr als die Mode selbst.
Alicia Kühl hat ihre Doktorarbeit genau jenem Thema gewidmet, nämlich der Darstellung von Mode und Möglichkeit Begehren zu erwecken. Auf über 300 Seiten geht sie der Frage nach, warum ein solcher Aufwand betrieben wird und wie der Raum die Mode selbst zu beeinflussen vermag. Natürlich geht es auch um die Frage ob die Mode selbst das vermeintlich Neue ist und Begehren weckt oder aber geschickte Inszenierung dies positiv beeinflusst; eine mittelmässige Kollektion durch großartige Präsentation besser wird.
Das Buch ist natürlich eine wissenschaftliche Arbeit, weshalb es stellenweise auch recht trocken wird. Es fehlt ein wenig der Zauber, der ja eigentlich in einem solchen Thema vorherrschend ist. Ansonsten aber ist das Buch, das auch für modeinteressierte Dilettanten durchaus eine spannende Lektüre darstellt, eine großartige Ergänzug zu den üblichen Modebildbänden.

Alicia Kühl "Modenschauen – Die Bahauptung des Neuen in der Mode" erschienen bei transcript
ISBN: 978-3-8376-2885-2
Preis: 32,99 €

Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. 

2015/05/07

Mehr Nichts Als Kleid - Met Gala 2015...

Cher war in diesem Jahr nicht zum ersten Mal auf der Gala im Metropolitan Museum, doch mit ein bisschen mehr Stoff am Leib als bei ihrem ersten Besuch 1974. Diesmal an der Seite von Marc Jacobs, in einer extra für sie gearbeiteten Paillettenrobe und ganz ohne viel Haut zu zeigen, trotzdem einer der Überstars nach dem sich auch der aktuell amtierende Hollywood- und Modeadel noch umdreht und ein 'Da ist Cher!' in den Raum raunt. 1974 hingegen dürfte es der ein oder anderen Grand Dame der New Yorker Society auch den Atem verschlagen haben, aber wohl weniger vor Begeisterung und Ehrfurcht. An der Seite von Bob Jackie bewies sie schon damals, dass es nicht mehr braucht als ein bisschen Tüll, ein paar Federn und eine Handvoll gut platzierter Pailletten und Steinchen. 
Was damals verstörend und so anders war, ist bei der diesjährigen Gala, die ja unter dem Motto 'China – Trough the Looking Glass' fernöstliches vermuten lies, was prompt auch von vielen Gästen in Kleidern umgesetzt wurde, eher die Regel um sich seinen Platz auf den Titelseiten zu ergattern. Wenn auch Madonna recht verschlossen die Stufen des Museums erklommen hat, eigentlich ungewöhnlich bei ihrer Geltungssucht, haben sich drei Damen durchaus Cher zum Vorbild genommen und versucht sich gegenseitig die Butter vom Brot zu nehmen.

Béyonce (Givenchy) lies wenig Spielraum für Fantasie, J-Lo (Versace) zeigte wer zuerst auf den Arsch als Marketing-Tool setzte und schließlich Kim Kardashian (Peter Dundas erste offizielle Kreation für Roberto Cavalli), die nur sich selbst in die Waagschale zu werfen hat, dafür aber sehr viel davon. 
Nicht mehr Kleid (am Leib und in der Ausstellung) steht im Vordergrund des mittlerweile wichtigsten Schaulaufens von Stars und Sternchen, Entrepreneurs und Philanthropen, sondern weit vorn in den Onlinegalerien zu landen und bestenfalls die Start- und Titelseiten zu zieren. Allein und groß, ohne eine der Konkurrentinnen neben sich. Für die drei genannten Damen ging leider das schief, meist werden sie nun als Dreigestirn abgebildet und am Ende geht vor allem eine als strahlende Siegerin im Kampf um Krone der Königin der Nacht hervor: Rihanna.

Natürlich bietet ihre Robe neben der längsten und ausladendsten Schleppe auch viel Raum für Spott, die Karikatur (Sarah Jessica Parker gewinnt übrigens in der Kategorie des dämlichsten Kopfschmuck einen Preis, obwohl es durchaus viel Konkurrenz gab) gehört zu den besten Darstellungen, vielfach wurde die Schleppe auch als Pizza belegt, doch mehr ging nicht. Die chinesische Designerin Gio Pei ist nicht nur in der Ausstellung vertreten, mit Rihanna's kanarienvogelgelben Schwergewicht schaffte sie es nun auf alle Titelseiten und zeigt, dass mehr eben mehr ist. 
Was nun übersehen werden wird, sind all die gelungen Outfits; da wo alles saß, das Motto vielleicht angerissen wurde ohne allzu sehr in kostümhafte zu verfallen, Kleid und Frau harmonisch zusammenspielten. Natürlich ist auch bei Kim Kardashian und dem teuren Fummel eine Harmonie zu erkennen, aber die ist eher nicht nach meinem Geschmack. Eher dann Jennifer Connelly, die in Louis Vuitton großartig aussah oder Chloe Sevigny in ihrer sehr traditionell chinesisch anmutenden Aufmachung J.W. Anderson. Und Kendall Jenner, die in Calvon Klein zeigte, dass schlechter Geschmack nicht vererbbar sein muss. Doch das wird leider weniger Nachahmer finden, als diese Träume aus Nichts mit Glitzer dran...

Bildquelle: Huffington Post, abcnews, Vogue