Gut 20 Minuten braucht man um mit der Straßenbahn von der Leipziger Innenstadt zum Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei zu kommen. Das Gelände, das einst die größte Baumwollspinnerei des Kontinents beherbergte, hat sich in den letzten Jahren zu einem kulturellen Highlight der Messestadt gemausert.
Bereits in den 1990-er Jahren siedelten sich auf dem Industriegelände Kreative an und wandelten die ehemaligen Produktionsräume in Ateliers um. 2000 wurde dann die letzte Industriestrecke geschlossen und das Areal verwandelte sich sukzessive immer weiter. Heute finden sich da wo einst Baumwolle zu Garn gesponnen wurde Galerien, Ateliers und Café's, und natürlich ein Geschäft mit allem notwendigen Künstlerbedarf.
Namhafte Galerien, Judy Lybke und Eigen+Art ist fraglos die bekannteste, haben ihre Adresse dort hinverlegt. Aber auch Dogenhaus, maerzgalerie und ASPN zählten zu den ersten, die um 2005 kamen. The Guardian betitelte das Spinnereigelände 2007 als 'The hottest place on earth', das ist schon ziemlich gute Werbung!
Bereits bevor ich nach Leipzig fuhr, stand ein Besuch bei ASPN dick im Kalender. Die Arbeiten von Robert Seidel haben mein Interesse geweckt, aber auch der hier schon im Mai vorgestellte Künstler Johannes Rochhausen wird von ASPN vertreten. Arne Linde, die Eigentümerin der Galerie, hat sich durch mich von der Arbeit abhalten lassen und wir haben über die Galerie, das Umfeld der Spinnerei und ihre Künstler unterhalten. Und natürlich auch über die Leipziger Schule und Neo Rauch, zwei unausweichliche Themen.
Allem Anschein nach ist es in Leipzig gelungen ein Klima zu schaffen, in dem Künstler und Galeristen, vor allem aber auch die Galerien untereinander, gut zusammenarbeiten. Und die Hochschule für Grafik und Buchkunst ist ein idealer Nährboden für junge Talente.
Einer der von ASPN seit 2008 vertretenen Künstler ist Robert Seidel. Bevor ich wußte was er macht, hatte ich die Möglichkeit ihn beim Geburtstag einer Freundin vor gut vier Wochen kennen zu lernen. Er ist sympathisch und ohne Alluren, aber das ist nicht anders zu erwarten von jemanden, der zumindest ein bisschen vogtländisches Blut in seinen Adern fließen hat.
Natürlich steigert ein persönlicher Eindruck vom Künstler die Wertschätzung für sein Werk, doch seine Malerei hat alle Erwartungen weit übertroffen. Die Art wie er Farbe aufträgt und durch abkratzen spannende Oberflächen entstehen lässt, Seidel arbeitet vornehmlich mit Eitempera auf Leinwand, zeugt von größer Könnerschaft. Man schaut sich nicht nur die dargestellten Details an, jene Spielzeuglandschaften, sondern ist auch beeindruckt von der Art wie gemalt wurde.
Was die Leipziger Schule ausmacht, ist das dort gelehrte Handwerk. In der Ausbildung kommt es nicht nur auf die Entfaltung einer eigenen Künstlerpersönlichkeit an, auch die Technik wird den Studenten beigebracht. Robert Seidel ist ein Meisterschüler von Neo Rauch und hat vor wenigen Wochen sein Studium abgeschlossen. Für 2012 listet ihn ART in der jährlich erscheinenden Watchlist.
Mir wurde prophezeit, dass ich mich durchaus in eine Arbeit von Robert Seidel vergucken würde. Und in der Tat war dem auch so. Vielleicht wäre es eine bessere Geldanlage als die die ich jetzt habe. (Gestern Abend rief Forsa an um mich zum Thema Geldanlagen zu befragen, Kunst kam da nicht.)
Wer in Leipzig zu tun hat, oder eben einen Ausflug in die Stadt plant, sollte einen Abstecher zum Spinnereigelände einplanen. Leider war ich am Samstag spät dran, um 16 Uhr schließen die Galerien, deshalb habe ich mich selbst nicht weiter umsehen können. Ich bin mir aber sicher, dass es noch viel zu entdecken gegeben hätte.