2011/03/25

Mode Thema Mode: Pariser Kellerratten – Existenzialisten und Mode...


Erinnert sich jemand an den Film 'Funny Face', die Stelle als Audrey Hepburn statt zum Fitting aufzutauchen lieber in einem Jazz-Keller hockt und sich über Existenzialismus und Empathie unterhält? Wer die Stelle kennt, hat schon ansatzweise eine Vorstellung davon was das Thema des heutigen Vortrages beinhalten wird. Eine ausführliche Zusammenfassung kommt dann wieder am Abend.
Es ist übrigens auch der letzte Vortrag mit einem internationalen Gast. Danach werden wieder nationale Gäste Vorträge halten, was aber ganz sicher nicht weniger spannend ist.

Ort: Vortragssaal im Kulturforum
Beginn: 18:00 Uhr


Nachtrag: Warum taucht hier plötzlich ein Spot von GAP auf? Zum einen, weil Audrey darin tanzt, ich hatte ja schon erwähnt, dass sie in 'Funny Face' einen kleinen Ausflug in den Existenzialismus macht. Und weil darin auch der Einfluss der Existenzialisten auf unsere heutige Mode zu sehen ist.
Schwarze Hose und Rolli sind das, was wir noch heute mit diesem in den 1940-er Jahre geborenen Stil verstehen. Am besten verkörpert diesen Look Juliette Gréco. Aus der Armut heraus wurde dieser Look geboren, der kein Trend sein wollte und trotzdem noch immer zitiert wurde. Gréco, die während der deutschen Besatzung zuerst mit Mutter und Schwester in Gefangenschaft lebte und dann mit nur einem paar Bastschuhe, einem Kleid und einer Jacke bei einer früheren Lehrerin unterkam, war gezwungen zu tragen, was ihr Freunde übereignen konnten. Die weiten Männerhosen und die Pullover wurden ihr Markenzeichen, dazu die langen, offenen Haare mit Pony. Sie war der Personifikation der Rive-Gauche, von Saint-Germain-des-Prés.
Zusammen mit ihren Freunden zählten Anne Marie Cazalis und Boris Vian. Letzterer war einer dieser Tausendsassa, Jazztrompeter und Poet in Personalunion, während Cazalis sogar als Sartres Muse bezeichnet wurde. Die Nächte verbrachten die jungen, wilden in den Kellerclubs; kleinen, dunklen Kneipen in denen ernst diskutiert und eben zum Jazz getanzt wurde. Dreh und Angelpunkt war die Bar Tabou in der Rue Dauphin.
Die Einflüsse in Musik und Kleidung kamen vor allem aus Amerika. Die Existenzialisten kauften ihre Kleider auf Flohmärkten, meist Kleiderspenden jüdischer Gemeinden aus New York, die ihre französische Glaubensbrüder unterstützen wollten. Der eigentliche Look der Existenzialisten ist eigentlich das karierte Hemd, oft bis zum Bauchnabel aufgeknöft, Bluejeans und Basketballschuhe.
Gréco hingegen blieb ihrem Look treu, auch wenn sie in den späten 1940-Jahren sicherlich nicht mehr auf Kleiderspenden angewiesen war und neben Second-Hand Couturekleidern von Balmain und Elsa Schiaparelli, für sie entworfene Hosen von Christian Bérard trug. Schwarz war ihre Farbe. Während sie jedoch auf dem Boulevard St. Germain ein Star war, wurde sie auf dem Champs Élysées dafür angefeindet. Gleichzeitig wurde es aber auch in der Pariser Gesellschaft schick nachts die Clubs der Rive Gauche zu besuchen, allerdings in Dior's New Look.
Das war das Ende der Existenzialisten, zumindest ihres Daseins als 'Kellerratten'. Gréco wurde zur gefeierten Chansonette und Hollywood schickte Audrey Hepburn nach Paris. 1960 zog der Existenzialismus in der Haute Couture ein und wurde Skandal. Yves Saint Laurent zeigte Hosen und dazu kleine schwarze Jacken. Die Looks waren zu viel für die konventionell denkenden Kundinnen, zumindest nach Ansicht des Hause Dior. Saint Laurent wurde entlassen, weil er einen intellektuellen Stil huldigte, der zu diesem Zeitpunkt längst schon nicht mehr wirklich existierte.
Doch seine Interpretation des Existenzialismus war nur die erste in einer langen Kette. Nach ihm kamen die Beatniks und Swinging London. Jean Paul Gaultier und Ralph Lauren liesen sich in den 1980-er Jahren inspirieren, und für HW-2005 zeigte John Galliano untermalt von Petula Clarke's 'Downtown' für Christian Dior Looks, die eine Mischung aus Juliette Gréco und Eddie Sedgewick darstellten. Und ebenfalls 2005 lief der Spot von GAP. Hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei Audrey und ihrem wilden Tanz zu Jazz in einer Kellerkneipe.
Man könnte sogar noch weiter gehen und in Karl Lagerfelds Kollektion für Chanel HW-2011 existenzialistische Züge finden. Seine Mädchen sehen auch aus als hätten sie ihre Kleider nur geliehen und gegen die Kälte übereinander getragen. 'Les Quai des Brumes', die Inspiration für die Kollektion, zeigt ebenfalls Frauen in Hosen...