Muss man ein Buch ganz gelesen haben, oder mindestens mehr als die Hälfte, um eine Kritik darüber schreiben zu dürfen? Was, wenn man gar nicht und erst über die ersten 20 Seiten hinauskam, weil es nicht mehr brauchte um festzustellen, dass das Buch einfach nicht für einen ist?
Entdeckt habe ich 'Wer wir sind und was wir wollen – Ein Digital Native erklärt seine Generation' von Philipp Riederle auf der Frankfurter Buchmesse und sowohl Titel als auch Covergestaltung erweckten mein Interesse. Das Thema, die Netzwelt und wie sie unser Leben und unsere Sichtweisen, klang spannend. Ein Rezensionsexemplar wurde mir schnell zugeschickt und begann reinzulesen. Zuerst stolperte ich über den Fakt, dass der Autor im Moment des Schreibens noch keine 20 Jahre alt war, aber eine Schlaumeierei an den Tag legt, die ich ihm nicht zuzugestehen bereit war. Vielleicht meine eigene Engstirnigkeit, aber so ist das nun einmal. Schlimmer aber noch fand ich die Tatsachen, dass dieses Buch zu legitimieren versucht, warum die heutige Kindheit von Maschinen geprägt ist und eben nicht mehr durch Kastanienmännchen und aufgeschürfte Knien.
Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung davon habe wie man ein Handy knackt, Riederle war mit 13 dazu in der Lage und gab sein Wissen postwendend als Videoblogger weiter. Er beschreibt seine Generation, also die nach 1990 geborenen, als Erste, die durch Computer und vor allem durch das Internet geprägt wurde. Gleichzeitig wurde Wohlstandverwahrlosung en vogue. Mit Computer, Tablets und internetfähigen Mobiltelefonen lassen sich schon ganz kleine Kinder wunderbar ruhig stellen während Mutti Schuhe probiert. Die Auseinandersetzung miteinander lässt sich stilllegen, und die eigenen Plagen gleich mit.
Das ist ziemlich arm, wirklich, und das Buch erweckt den Anschein, eine Rechtfertigung für dieses Verhalten zu sein. Ich persönlich finde es blöd und bin ziemlich froh, dass dieser Kram erst recht spät in mein Leben kam. Ich finde, dass Kindern und Jugendlichen in vielen Fällen unwiederbringliches geraubt wird, nämlich die Unbedarftheit und die Möglichkeit sich die Welt im kleinen zur erobern. Stattdessen wird Freundschaft mit Facebook gleichgesetzt und Liebe mit der bei Youporn zur Schau gestellten Triebbefriedigung. Muss das sein?
Philip Riederle 'Wer wir sein wollen', erschienen bei Droemer-Knaur, 12,99 €