Zumindest in einer Sache bin ich mir ziemlich sicher, nämlich dass die Restposten in Sinas Boutique vorher wohl kaum irgendwann in Paris waren. Aber lustig ist das Plakat schon, suggeriert es doch ein Stück große, weite Modewelt in Berlin Moabit. Was hat wohl die Inhaber des Ladens zu dieser Werbemassnahme bewogen?
Um 1860 festigte Paris seine Position als erste Modemacht und Impulsgeber für die nächsten hundert Jahre. Vorher waren es vor allem die Höfe, die einen Trend bestimmten. Die französischen Könige, allen voran Ludwig XIV., führten die prächtigsten Höfe und die europäischen Adligen gingen auf Kavalierstour nach Paris. Es war klar, dass sie die dortigen Moden mit nach Hause in ihre kleinen Fürstentümer nahmen und von Braunschweig bis München Miniaturausgaben der Versailler Hofhaltung entstanden.
Unter Napoleon kam eine neue Mode aus Frankreich, zuvor jedoch war für gut 20 Jahre England tonangebend. Die Eroberungen und Kriege des Franzosen brachten Europa die Mode des Empire; die hohen Taillen und fließende Stoffe lösten für wenige Jahre die steifen Korsetts und weiten Säume ab. Doch es sollten noch einmal knapp vierzig Jahre vergehen, bis Paris endlich die Herrschaft über die Mode der Welt erlangte.
Ein Engländer kam nach Paris und schickte sich an die Mode zu revolutionieren, Charles Frederick Worth wurde zum ersten wirklichen Modeschöpfer und erfand die Haute Couture. In London hatte er das Schneiderhandwerk erlernt, ursprünglich allerdings für Herrenkleidung. In Paris dann wendete er sein Wissen an, um die Damenmode zu revolutionieren; auch technische Veränderungen brachte er in die Mode. Nach dem er es schaffte Kaiserin Eugénie als Kundin für sich zu gewinnen, war er an der Spitze der Mode angelangt.
Doch war es nicht nur Begabung als Schneider die ihn dahin brachte, sondern auch eine neue Strategie in der Mode. Zum ersten Mal in der Geschichte entschied sich eine Kundin für ein Kleid, dass ohne ihre Mitsprache entstanden ist. Kaufen oder nicht kaufen war die neue Devise. Und alle wollten sie bei ihm kaufen! Wer etwas auf sich hielt kam nach Paris und kaufte bei Worth, oder lies zumindest à la Worth arbeiten.
Das wichtigste waren nicht die Kleider, viel besser liessen sich die Schnitte und Ideen verkaufen. Paris machte die Mode, setzte Trends und von Berlin bis New York fertigten dann Schneiderateliers Kleider nach Pariser Vorbild. Nur während der deutschen Besatzung von Paris war die Stadt und die Mode lahmgelegt. Doch nach Kriegsende brachte man sich schnell wieder ins Gespräch, zuerst mit dem Theatre de là mode und dann mit dem New Look.
Während die Trends in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch mehrere Jahre brauchten um sich durchzusetzen, ging dank neuer Medien immer schneller. Bilder gingen um die Welt und immer neue Moden wurden immer schneller kopiert. Bis in die 1960-er Jahren versuchten die Modemacher noch dagegen vorzugehen, dann kam Yves Saint Laurent und führte die Boutiquemode ein.
Die Haute Couture wurde bekam Konkurrenz und statt Lizenzen für Kleider zu kaufen, konnten Kaufhäuser nun direkt Ordern und echte Mode aus Paris an die Kundin bringen. Wieder hatten es die Pariser Modemacher geschafft alles neu zu erfinden und immer größer zu werden.
Bis heute hat sich daran nichts geändert. Auch wenn London, New York und Mailand gut aufgeholt haben, hat Paris noch immer den ersten Platz inne. Selbst ein Restposten hat Glamour, wenn man ihn mit dem Label 'Paris' schmückt.
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