2014/01/23

Couturen...


In Paris zeigen, eigentlich ist der Spass noch gar nicht wirklich zu Ende, gerade wieder die Meister der Mode, dass was ihre Versionen zum Thema Haute Couture sind. Das Themenspektrum reicht von der ganz großen Oper über Materialschlachten hin zum Cloud Atlas. Was da genau auf wen zutrifft lohnt eine Einzelbetrachtung. Achso, ein bisschen Dynasty ist auch dabei.


Valentino – Opern sind dann gut, wenn am Ende möglichst viele Beteiligte sterben, und keine haben ihre Heldinnen schöner sterben lassen als Puccini und Verdi. Allein wenn sich die Tosca am Ende von der Engelsburg stürzt und dabei zum letzten Mal das musikalische Thema aufflammt sträuben sich mir immer wieder die Nackenhaare auf. Ähnliche Wirkung haben die Kleider, die nun von Valentino als couturene Visionen vorgestellt wurden. Nicht nur Tosca, auch all den anderen weiblichen Figuren der Oper ist diese Kollektion gewidmet und die auf Tüll gestickte Partitur von Verdi's La Traviata gibt die Richtung vor.  
Mein persönliches Highlight sind aber gar nicht die überreich bestrickten und mit Applikationen versehenen Tüllträume, sondern die schlichten Säulenkleider in dramatischen Nichtfarben. In ihnen kann man sich Ibsen's verzweifelte Heldinnen darstellen, wie sie versonnen über norwegische Fjorde blicken oder eine Choreografie von Martha Graham (Headerbild).
Aber wenn es ein Highlicht gibt, muss auch etwas gegenteiliges vorhanden sein. Es gibt einen Schwanenkleid, das zwar ausgefeilter, aber nicht weniger dumpf ist wie das berühmte Original von Björk. Und leider war es nicht das einzig um den Hals gewickelte Tierabbild. Was als naive Applikation wunderbar in der Kollektion funktioniert, geht bei den tüllenen Cocktailkleidern leider schief.


Armani Privé – Mit dieser Kollektion feiert sich Giorgio Armani erneut selbst und zeigt auf neue, was in seinen Augen Eleganz ausmacht. Wenn bei seinen Ready-to-Wear Kollektionen die Models bedächtig schreiten, langweilt mich das schon nach dem dritten Outfit, bei der Couture hingegen ist der Schritt angemessen und macht die Raffinesse der einzelnen Kleider zu einem Genuss. Schließlich wird wohl auch keine Kundin nur ansatzweise in die Situation kommen dem davon fahrenden Bus hinterherrennen zu müssen. 
Nicht nur die Musik vermittelte den Eindruck des Orients, auch die ornamenthaften Stickereien, die schweren Seidenbrokate und zarten Chiffone tragen zum Eindruck von tausendundeiner Nacht bei. Die Allure für diese Kleider haben eigentlich nur arabische Prinzessinnen, die Kollektion scheint auch gar keine andere Kundschaft im Auge zu haben und Königinnen wie Rania von Jordanien ausstatten zu wollen. Naja, vielleicht stehen einige der Kleider auch Hollywooddiven ganz gut. Mal sehen ob eine der Damen etwas davon tragen wird!?


Chanel – Erst in bewegten Bildern schaffte es Karl Lagerfeld Sympathien für diese Kollektion in mir aufkeimen zu lassen, was aber gar nicht an den Kleidern lag, sondern an der Art der Präsentation. ich fand toll, wie die Mädchen jugendlich die Treppen runterrannten und damit dem immer gleichen Tweedquatsch Elan und Esprit verliehen. 
Ich bin wirklich zwiegespalten was die Kollektion betrifft. Die kurzen, in der Taille geschnürten Kleidchen sind madamig und mit den runden Stehkrägen auch schon tausendmal gesehen. In Kombination mit Sportschuhen lässt sich aber selbst ihnen eine modische Allure nicht absprechen. Allerdings bezweifle ich auch, dass die Chanelkundin dies dann so tragen wird und somit alles schnell wieder altbacken wirkt. Gelungen waren die langen Kleider, die auch mit einem Abendschuh getragen ihre Trägerin noch wunderschö aussehen lassen. 
Wirklich schlimm aber waren die Federungetüme, die an den Film Cloud Atlas erinnerten. Da halfen auch die Turnschuhe nicht mehr. 


Giambattista Valli – Der Farbkanon ist ähnlich dem von letzter Saison, royalblaue und karmesinrote Tupfer auf porzellanenem Weiß. Auch seine Könnerschaft im drapieren stellt der Designer wieder unter Beweis. Valli belebt mit seinen Entwürfen eher die Idee von Couture der 1950-er Jahre, also auf Korsagen konstruierte Cocktail und Abendkleider, deren Sinn es ist die Frau erstrahlen zu lassen und nicht zwingend Avantgarde sein wollen. Es fehlt zwar oft das überraschende Moment, aber die Kollektionen sind durchdacht vom ersten bis zum letzten Look. Die Kundschaft dankt es und kauft. Gerade dieser Aspekt ist bei einem Designer, der eine solche Kollektion eben nicht nur aus reiner Freude und aus Prestige machen kann, besonders wichtig. 


Christian Dior – Raf Simons hat einen guten Stofflieferanten und dessen Angebot gefiel scheinbar so gut, dass gleich das gesamte Angebot in der Kollektion untergebracht wurde. Ein Gitterwerk aus mit Laser geschnittenen Durchbrüchen und applizierten Ornamenten macht zwar die Kollektion sehr plastisch, aber leider nicht besser. Kristalline Strukturen und amorphe Silhouetten stehen sich gegenüber, gehen aber selten auf einander ein. Einzig die Inspiration für die Kollektion, die Keramiken von Valentin Schlegel aus den 1950-er Jahren lassen sich in der direkten Gegenüberstellung erkennen. Trotzdem fehlt die Spannung, der Ausdruck und vor allem eine schlüssige Aussage. Ganz böse ausgedrückt: Es sieht aus als hätte ein Abendschulkurs Modedesign sich an einem Haufen Vorhangstoffen verwirklicht. Einzig mit den Hosenanzügen, die wie immer unbeschreiblich gut geschnitten sind, kann mich Simons diesmal überzeugen. 
Nun kann sich ein Designer mal einen Fehltritt erlauben, und es war bisher sein einziger bei Dior. 


Versace – Donatella Versace's Kollektionen hingegen sind ja immer ein Fehltritt, aber das wenigstens konsequent. Da geht auch diesmal wieder um das Mehr! Mehr Schulter, mehr Trash und vor allem viel mehr SEX. 
Hätte man Grace Jones eine Gastrolle in Dynasty gegeben, wären genau das passenden Kleider für sie gewesen. Die Frau, die das tragen kann braucht schon einiges an Allure und Selbstvertrauen um darin nicht verkleidet zu wirken. Während die meisten Models unbeholfen über den Laufsteg stolperten nahm man Karlie Kloss ein einziger wirklich ab, förmlich mit der Marke verschmolzen zu sein. Es flackerte für einen kurzen Moment noch einmal die Glanzzeit der Marke auf, damals als Gianni eine Horde Supermodels für sich laufen hatte. 
Insgesamt ist das ein Haufen bunter Knete, der schwerlich als Mode bezeichnet werden kann und nur an Berlusconi'schen TV-Sternchen oder einer Jennifer Lopez ansatzweise zur Wirkung kommt. 

Natürlich waren das nicht alle Marken, die Couture im Programm haben. Zum Beispiel gab es zum ersten Mal wieder eine Schau von Vionnet und auch Schiaparelli war zum ersten Mal wieder auf einem Laufsteg zu sehen. Letzteres fand ich eher unbedeutend und Vionnet lohnt sich gesondert zu betrachten. 

Headerbild: Martha Graham in Lamentation, fotografiert von Herta Moselsio
Alle anderen Bilder: Style.com