Ich hatte mal ein Blog, das nannte sich 'Briefe an...'. Diese entstand aus einer Laune heraus und jedes Post war ein Brief an eine in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeit. Da es das Blog noch immer gibt, sind auch die Briefe nicht verschwunden, allerdings wurde es auch schon seit langem nicht mehr gefüttert.
Ich greife nun die Idee auf und möchte hier einen Brief veröffentlichen, den ich aber im Gegensatz zu denen bei 'Briefe an...' tatsächlich heute morgen per Email an den Regierenden Bürgermeister von Berlin abgeschickt habe:
Sehr geehrter Herr regierender Bürgermeister,
die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau sind sehr eng, der kulturelle und wirtschaftliche Austausch sehr groß und natürlich auch wichtig für beide Seiten. Bis Ende letzten Jahres habe ich selbst in Berlin gelebt und durchaus viele positive Erfahrungen sammeln und teils sogar gute Bekanntschaften mit der zwischen Berlin und Moskau pendelnden russischen Gemeinde knüpfen können. Gegenseitiger Respekt und Achtung standen und stehen dabei immer im Vordergrund.
Mittlerweile lebe ich in Wiesbaden, historisch eng mit Russland verbunden ist, immerhin Vorbild für russische Weltliteratur. Hier gibt es ebenfalls eine große russische Gemeinde und viele russische Touristen kommen gerne kuren.
Gerade weil ich so viele positive Erfahrungen gesammelt habe, finde ich die Lage der Homosexuellen und Transgender in Russland nach dem in Kraft treten des Gesetzes gegen homosexuelle Propaganda alarmierend. Das Gesetz welches unter dem Deckmantel des Jugendschutzes eingeführt wurde dient dazu Menschen in einer Art und Weise zu diskriminieren, zu unterdrücken und auch zu misshandeln, wie sie doch stark an die Unterdrückung der Juden im Dritten Reich erinnert. Es hat eine Hetzjagd begonnen, die von Polizei und Gerichten ignoriert, gebilligt und teils sogar unterstützt wird. Jugendliche Homosexuelle werden via Internet in Fallen gelockt und dann auf schlimmste Art und Weise gefoltert. Die Selbstmordraten steigen, weil es der letzte Ausweg zu sein scheint. Im Internet zugängliche Filme und Bilder beweisen diese Taten, weil die Täter sie voller Stolz veröffentlichen.
Es ist mir unbegreiflich, wie eine solche Menschenverachtung von einem Volk legalisiert wird und von Nachbarn und Partnern toleriert oder aber ignoriert wird. Berlin hat in Herrn Wowereit einen Bürgermeister, der mit seinem viel zitierten Ausspruch Anfang der 2000-er Jahre ein Statement abgegeben hat. Es war ein Meilenstein, der tatsächlich eine neue Offenheit im Umgang mit dem Thema Homosexualität zu Tage förderte. Selbst das eigentlich recht spießige Wiesbaden hat nun einen schwulen Bürgermeister.
Es wäre an der Zeit, dass auch aus dem Berliner Rathaus ein deutliches Bekenntnis gegen die Missstände in Russland käme. Venedig, Reykjavik und andere Städte prüfen bereits die Auflösung dieser Partnerschaften, was aber in meinen Augen nur bedingt richtig ist. Wichtiger wäre es direkt in Moskau Zeichen zu setzen. Den regierenden Bürgermeister von Berlin würde man wohl kaum wagen einzusperren, wenn er sich öffentlich zu einem ihn auch selbst betreffenden Thema äussert.
Ich würde mich freuen, wenn diese Mail nicht einfach im Papierkorb landet, sondern vielleicht durchaus weitergereicht wird. Und ich hoffe es ist nicht die einzige Mail, die sie zu diesem Thema erhalten...
Mit besten Grüßen