2012/09/04

Boni De Castellane...


Wenn das eigene Geld nicht ausreicht um einem exklusiven Lebensstil zu föhnen, muss man sich eben reich verheiraten. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war es weniger verpönt als heute nach einer guten Partie Ausschau zu halten, vor allem wenn es für beide Seiten einen Gewinn darstellte. Anna Gould war mehr als eine gute Partie. Auf die Tochter eines amerikanischen Stahlmagnaten mit einer Mitgift von geschätzten 15 Millionen Dollar hatten sicherlich mehrere junge Herren ein Auge geworfen, vor den Altar führte sie jedoch Boni de Castellane. 
Boni hieß eigentlich Paul Ernest Boniface de Castellane und entstammte einer Familie, die zu den edelsten Frankreichs gehörte und Titel wie Marschall von Frankreich trug. Seine Ur-Großmutter war Dorothée de Courland, die in Friedrichfelde geboren wurde; Boni hatte auch ein bisschen deutsches Blut in seinen Adern. Fraglos waren die de Castellanes reich, doch auch wieder nicht so sehr um Bonis exklusiven Lebensstil ohne weiteres bezahlen zu können. "Meine Eltern besaßen ein recht hübsches Vermögen. Sie waren jedoch nicht im vollen Besitz ihrer Einkünfte, da meine Großeltern noch lebten. Das hinderte sie aber nicht, ihren Kindern gegenüber generös zu sein. Was sie mir gaben, entsprach jedoch nicht meinen Ausgaben. Das Geld ist mir immer zwischen den Fingern zerronnen. Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich immer welches hatte, aber nie welches behielt."
Nach einer kurzen Laufbahn bei Militär reiste er durch Europa und landete in Schoß der Familie Gould, die sich freute ihre Tochter Anna nun mit einem echten französischen Adelstitel schmücken zu können. Doch schnell merkte die Familie, dass der junge französische Edelmann wohl auch das hart erarbeitete Vermögen seiner jungen Frau unter die Leute bringen wird. "Es gibt kein Vermögen, das bei meiner Passion für Pferde, Wagen, Häuser, Paläste, Schlösser und Antiquitäten nicht zerronnen wäre." Das Geld zerrann Boni zwischen den Fingern, auch wenn er es keinesfalls sinnlos unter die Leute brachte. Er kaufte Kunst ein, baute seiner jungen Frau ein nettes Haus, dass unter anderem ein Theater für 600 Personen beherbergte und lud zu Festen ein, von denen man heute nicht zu träumen wagen würde. Allein dreihunderttausend Franc verschlang ein Ball zur Feier des 21. Geburtstags seiner Frau. Boni wollte seine Umwelt erfreuen, mit schillernden Festen genauso wie durch ausgezeichnete Manieren und Esprit.


Für Ersteres ging bald das Geld aus, doch bis an sein Lebensende blieb er ein Dandy im besten Sinne des Wortes. Seine Frau hatte schnell die Nase voll von den Eskapaden ihres Mannes, bestärkt durch ihre amerikanischen Brüder und deren Liebe zum Geld reichte sie 1906 die Scheidung ein. Diese wurde auch vollzogen, doch gewöhnt an das französische Savoir-Vivre heiratete sie schon zwei Jahre später erneut. Der Prince de Sagan war nicht nur der Cousin ihres Ex-Mannes, sondern auch wohlhabender und mit einem noch klingenderen Namen ausgestattet. Boni hingegen blieb ein Berg von Schulden, er zog wieder bei seinen Eltern ein und musste sich einen Job suchen. 
Sein guter Geschmack und sein Kennerschaft brachte ihn zum Kunsthandel, seine exzellenter Ruf führte ihm Kunden zu. Staatsmänner und Monarchen empfing der Marquis de Castellane genauso, wie Milliardäre und Künstler. Liane de Pougy, eine jener Halbweltdamen des Fin de Siecle schrieb: "Es gibt keine schändliche Armut mehr, seitdem Boni de Castellane zu den Kunsthändlern gehört." (Anderswo endet selbiges Zitat mit "... mit dem Autobus fährt." Stimmen wird wohl eher die erste Variante, obwohl Boni tatsächlich problemlos vom eigenen Gespann auf den Bus umsteigen konnte, ohne dabei nur einen Funken Eleganz zu verlieren.) Während es im 18. Jahrhundert, selbst noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts undenkbar gewesen wäre weiterhin zur Gesellschaft zu gehören, wenn die finanziellen Mittel erschöpft waren, stellte es in der Dritten Republik keinen Dünkel mehr dar. Er schaffte es seine Schulden zu tilgen und wieder auf die Beine zu kommen, allerdings weniger ausschweifend als zuvor. 
Mitte der 1920-er Jahre verfasste er seine Memoiren und beschrieb in zwei Bänden 'Wie ich Amerika entdeckte' und 'Wie ich als armer Mann Paris entdeckte'. Ironie und Witz paarten sich mit aristokratischem Dünkel, seine Weltsicht ist die eines Grandseigneurs und Dandys. Nicht zu unrecht kam er zu dem Schluss: "Die Belle Époque, das bin ich".