2012/04/11

In Mrs. Astors Schrankkoffern...


Nach Ägypten und durch Europa reisten Mr. und Mrs. John Jacob Astor IV. im Frühling des Jahres 1912. John Jacob hat die fast 30 Jahre jüngere Madeleine 1911 geheiratet, er war 47 und gerade frisch geschieden. Es war ein Skandal und die beiden beschlossen die Hochzeitsreise etwas auszudehnen und so dem Gerede der New Yorker Society zu entkommen. Die Rückreise sollte mit der Titanic vonstattengehen. In Cherbourgh betraten die Astors und ihr kleines Gefolge das Schiff. Die schwangere Madeleine hatte immer eine Krankenschwester dabei, dazu noch eine Zofe und einen Kammerdiener. Sie gehörte zu denjenigen Passagieren, die den Untergang des Schiffes überlebten, ihr Mann hingegen kam um und wurde am 22. April 1912 tot im Wasser treibend gefunden. 
Das Gepäck der Astors dürfte exquisit gewesen sein. Es ist anzunehmen, das die beiden bei ihrer Europareise auch in Paris einen Stopp einlegten und Madeleine bei den führenden Modehäusern jener Epoche Kleidung bestellte und diese dann, verpackt in unzählige Schrankkoffer, mit an Bord nahm. Zu den Häusern, die en vogue waren, gehörten Paul Poiret und Jacques Doucet. Ersterer revolutionierte die Mode, er hob die Taille an und lies das Korsett verschwinden. Und er erfand eine Art Haremsstil, der sogar frühe Hosen beinhaltete. Diese wird Madeleine Astor eher nicht getragen haben, aber ein Kleid  oder ein Mantel des Couturiers wird sicherlich mit im Gepäck gewesen sein. Vielleicht sogar einer jener mit Pelz verbrämten Mäntel von Doucet, die eine neue, lose Silhouette propagierten. 

Mantel von Paul Poiret, ca. 1912 / Kleid von Paul Poiret, ca. 1910 / Mantel von Doucet, ca. 1910
(alle Bilder via Met Museum)
Dazu kommt noch eine Menge Schmuck, schließlich wollten die Damen der ersten Klasse bei den Nachmittagstees und den abendlichen Dinners glänzen und den Reichtum ihrer Männer zur Schau stellen. Eine Neuheit dieser Zeit waren Schmuckstücke aus geschnitztem Horn. Seit 1905 entstanden diese Teile in der Werkstatt von Georges Pierre, genannt GIP. Florale Anhänger wurden an langen Ketten getragen, der Stil der 1920-er Jahre wurde bereits vorweggenommen. 
Am Abend hingegen war es noch immer der Stil von Edward VII., der diese Zeit prägte. Die Schmuckstücke waren fragil und feingleidrig, glichen Ranken und Girlanden. Vor allem das relativ neue Material Platin ermöglichte dies. Nicht nur dass die Steine fester gefasst werden konnten, und auch zartes Gitterwerk konnte gearbeitet werden. 


Horncollier von GIP, ca. 1910 
Anhänger mit Diamanten und Peridot, ca. 1910 
Gefragt bei Kreuzfahrtpassagieren waren Schmuckstücke, die sich verändern liessen und so auf unterschiedliche Art und Weise getragen werden konnten. Es war oft möglich die Nadeln von Broschen abzuschrauben und sie durch Haarnadeln zu ersetzen, teilweise konnte man sie sogar an Diademe anschrauben. Dies ermöglichte es den Damen immer wieder 'neue' Schmuckstücke zu tragen, ohne aber gleich den ganzen Besitz mit auf See nehmen zu müssen. Wie man an der Titanic sehen kann, war nicht unbedingt klar was man davon wieder mit nach Hause brachte. Auf dem Meeresboden werden sich noch einige Stücke finden, die einem auch heute noch den Atem stocken lassen. 

Brosche mit in Gold gefassten Diamanten, ca. 1890
Wenn sich auch die Kleidermoden verändert haben, den Schmuck kann die moderne Frau, sofern er eben nicht mit der Titanic untergegangen ist, auch heute noch tragen. Die Brosche kann ich mir sehr gut an einem der strengen Kleider von Jil Sander vorstellen, das Horncollier würde die Looks der Haider Ackermann Kollektion perfekt ergänzen. 

Jil Sander / Haider Ackermann
(via Style.com)
Detaillierte Informationen und Preise zu den Schmuckstücken:

Antique & Vintage Jewellery
Oliver Rheinfrank
Linienstraße 44 / 10119 Berlin
Tel. 030 20 68 91 55