2012/02/28

Kino: The Artist...


Ein verregneter Nachmittag Ende Februar, das ist doch ein idealer Zeitpunkt um mal ins Kino zu gehen. Nach einem Kaffee am Mittag und einem Spaziergang durch den Tiergarten haben wir uns ins Kino am Potsdamer Platz verlaufen und 'The Artist' angeschaut. Natürlich waren auch die vergangenen Oscar's und die fünf Auszeichnungen für diesen aussergewöhnlichen Film ausschlaggebend bei der Filmauswahl. Werbung kam kaum, dafür war es zu früh, und auch die Vorschauen hielten sich Grenzen, es ging also schon gut los. Dann begann der Film und nach den ersten Minuten vermisste ich schon gar nicht mehr die Sprache und war von den Bildern gefangen. 
Viel wurde schon über den Film geschrieben, schließlich war es nicht nur ein Überraschungserfolg aus dem Nachbarland Frankreich, sondern auch noch ein Stummfilm ins Schwarzweiß. Während heute selbst simpel gestrickte Liebefilme nicht mehr ohne spezielle Effekte und Computeranimationen auskommen, verzichtet Regiesseur Michael Hazanavicius gleich mal auf alles und setzt allein auf grandiose Schauspieler und die Macht der Bilder. Im Vorfeld der Dreharbeiten hat sich Hazanavicius mehr als 150 Stummfilme angeschaut und diese genau studiert. Sein Film ist eine Essenz aus all diesen Werken und es werden Bezüge hergestellt zu Orson Wells, Friedrich Wilhem Murnau und King Vidor. In vielen Szenen werden Licht und Schatten gekonnt komponiert und jedes Bild ist ein Kunstwerk. Und die Tatsache, dass der gesamte Film gerade einmal 13,5 Millionen Euro gekostet hat, also soviel wie die Gage eines Hollywoodstars, macht dieses filmische Meisterwerk noch grandioser. 


Natürlich wäre der Film nichts ohne seinen Star Jean Dujardin (George Valentin), seine Mimik trägt den Film und allein wenn er die Augenbrauen hochzieht ist man hin und weg. Man lacht mit ihm, man leidet und man verliebt sich zusammen mit ihm in die nicht weniger grandiose Bérénice Bejo (Peppy Miller). Sie hat die Posen von Mary Pickford und all den anderen weiblichen Ikonen genau studiert und lässt die Säume der Flapperkleider mit einem sexy Hüftschwung schwingen. Es macht Spass den beiden zuzusehen und wenn sie zum Schluß steppend über die Bühne schweben, wünscht man sich doch in die Zeit charismatischer Schauspieler zurück, die nicht nur zwei Gesichtsausdrücke hatten. Kein Wunder also, dass Dujardin als erster Franzose überhaupt mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Auch Bejo war nominiert, doch obwohl sie den Film nicht weniger trägt war sie 'nur' für die beste Nebenrolle nominiert und musste sich Octavia Spencer geschlagen geben. Keine Oscarnominierungen gab es für John Goodman, James Cromwell und Filmhund Uggie, und doch wären auch diese drei zumindest eine Nominierung wert gewesen. Wer in irgendeiner Art und Weise anfällig auf niedliche Hunde reagiert und allein durch deren auftauchen dahinschmilzt, der sollte bei Uggie wegschauen, dieser ist wohl an Niedlichkeit nicht zu überbieten.


Gedreht wurde der Film in Hollywood, in den Studios von Paramount und Warner Bros. genauso, wie in der Villa von Mary Pickford, dem weiblichen Stummfilmstar in Hollywood. Wahrscheinlich verleihen eben genau diese Orte dem Film soviel Charme und machen die Szenerie authentisch. Umhergefahren wird mit den schönsten Autos, bei denen die weißwandigen Reifen verführerisch leuchten und nicht zuletzt tragen auch die Kostüme dazu bei, dass dieser Film zu einer gelungenen Zeitreise wird. Die Arbeit von Mark Bridges, auch er wurde mit einem Oscar für 'The Artist' ausgezeichnet, bestand nicht allein darin Kleider im Stil der späten 1920-er zusammenzustellen, sondern alle Outfits mussten auch für einen in Schwarzweiß gedrehten Film geeignet sein. Auch wenn man die Farben nicht sieht, so kann man sie doch erahnen. Während Peppy Miller tatsächlich eher schwarz und weiß zu tragen scheint, teils aber mit aufwendigen Stickereien versehen, sieht man Doris Valentin die pudrigen Töne ihrer Kleidung an. Wichtig sind auch Strukturen und kleine Details, die in Farbe so vielleicht niemals auffallen würden. 
Mit zwei Stellen bin ich allerdings weniger zufrieden, das betrifft auch noch Schlüsselszenen, da hätte ich Details anders gemacht. In der Tanzszene zum Schluß, die ja um 1932 spielt, hätte ich 'Peppy Miller' ein längeres Kleid angezogen, welches durch eingesetzte Godets mehr Schwung hätte haben können. Und dann habe ich die zum Frack getragenen schwarzen Fliegen recht am Anfang des Films nicht verstanden. Man sieht ziemlich deutlich, warum eben weiße elegant sind und schwarze nach Kellner aussehen. Ansonsten aber mochte die wunderschönen Anzüge von Dujardin sehr gerne, und auch die Pyjamas und Morgenmäntel. 


Keine Filmkritik ohne passende zeitgemässe Looks, die den Look interpretieren. In den aktuellen Sommerkollektionen sind dreiteilige Anzüge schwer zu finden, was wahrscheinlich daran liegt, dass Mann sich mittlerweile nicht mehr dick einpackt und leichter durch den Tag kommen möchte. Es gibt aber sehr schöne Anzüge, die auch einem modernen Stummfilmstar gut zu Gesicht stehen würden. Bei den Frauen gibt es zwei Kollektionen, die den Look der 1920-er Jahre perfekt interpretieren. Gucci und Ralph Lauren zeigen zwei Seiten der gleichen Medaille, hier trifft Femme Fatale auf Jazz Babe. 

Alexander McQueen / Corneliani / Ermenegildo Zegna
Ralph Lauren / Gucci
Bilder von hier, hier, hier, hier, hier und hier