2012/02/09

Janosch Bösche Im Interview...


Janosch Bösche schreibt nicht nur für seinen eigenen Blog restless mind, sondern ist auch für das in Athen ansässige Magazin OZON tätig. Ich habe ihn zu Blogs und Bloggern befragt, aber auch über Mode im allgemeinen. Vielen Dank für das Interview und die interessanten Antworten.

Seit wann blogst du, und wie kamst du dazu?
Mein erstes Blog hatte ich 2006 für mein Auslandssemester in Italien gemacht, da habe ich aber nur drei Artikel veröffentlicht. Richtig blogge ich seit 2009, zuerst für stilzeug.de und mein eigenes Fashionalyst.org. Eigentlich hätte ich schon zwei Jahre früher anfangen sollen, als ich im Online Marketing als Praktikant gearbeitet und verschiedene Tools und Webseiten im E-Commerce analysiert habe. Mein damaliger Vorgesetzter hat mich ermutigt, aber es hat dann doch bis 2009 gedauert, bis ich mich endlich regelmäßig geschrieben habe. Weil Fashionalyst für meine Themen nicht mehr ausreicht, arbeite ich gerade an einem neuen Format.

Gleichzeitig schreibst du für OZON, beschreibe doch bitte kurz das Format? 
OZON ist ein unabhängiges Magazin aus Athen über Mode, Urbankultur, Kunst und Musik. Es wirft einen frischen Blick auf zeitgenössische Themen und reflektiert die kulturellen Einflüsse der jüngeren Vergangenheit und Popkultur. Es gibt OZON schon seit 1996, es hat sich aber mit der Zeit auch entwickelt. Mittlerweile heißt das in Griechenland veröffentlichte Format OZON Raw und erscheint zehn Mal pro Jahr, zusätzlich gibt es die internationale Ausgabe, die weltweit in ausgewählten Shops verkauft wird (in Berlin z.B. bei 'do you read me?!').

Was bedeutet Mode für Dich? Und welchen Stellenwert hat sie bei OZON?
Für mich persönlich spiegelt Mode die gesellschaftlichen Entwicklungen in all ihren Facetten wieder. So wie das Sprichwort "Wie man sich bettet so schläft man" besagt, kommt es mir oft so vor, dass "wie man sich kleidet, so erlebt man." An der Mode erkennt man, wie die Menschen ticken. So wie sie sich mit der Mode auseinander setzen, tun sie auch mit ihrem Umfeld und sich selbst. Viele haben durch ihren Beruf eine gewisse Kleiderordnung vorgegeben, aber den Unterschied erkennt man immer noch im Detail. Ich trage lieber kleinere (Designer-) Labels und konzeptionelle Stücke, die eine eigene Identität oder Geschichte haben. Als Kontrast dazu besteht meine Alltagsgarderobe aber aus vielen einfachen und bequemen Klamotten, in denen ich mich wohl fühle und meine Arbeit machen kann. 
Für OZON ist Mode sehr wichtig, wir unterscheiden uns von vielen anderen Magazinen über die äußere Hülle, das Papier und seine Prägung sowie über die Modestrecken. Auch wenn wir mit größeren Marken und Herstellern zusammen arbeiten, zeigen wir diese in unorthodoxer Weise und oft auch mit einem zweideutigen Augenzwinkern.

Glaubst du, dass sich durch Blogs die Wahrnehmung von Mode verändert hat? 
Ich glaube schon. Leider noch nicht überall so sehr, wie es zu wünschen wäre. Auch wenn es vielfach noch zu oberflächlich ist, setzen wir uns mit der Mode mehr auseinander. Leider sind Blogs aktuell etwas zu kommerziell und nicht kritisch genug. Das beginnt beim Outfit-Post und endet nicht beim Nennen von Marken oder Platzieren von Produkten, die einfach von Agenturen zugeschickt wurden. Ich wünsche mir, dass Blogger sich nicht einfach als beschenkte Spaßgesellschaft verstehen, sondern ihren Lifestyle, Wünsche und Entscheidungen kritisch reflektieren, wenn sie dabei ihren Konsum festhalten. Dabei vergessen viele, gesponsorte bzw. bezahlte Inhalte und geschenkte Produkte angemessen zu kennzeichnen. Ich frage mich manchmal schon, ob sie die Produkte wirklich selbst gekauft hätten, wenn sie dafür bezahlen müssten. Es geht um die Auseinandersetzung mit uns selbst, unserer Gesellschaft und unseren Möglichkeiten.

Glaubst du Blogs können den Lesern Mode als Kulturgut nahebringen, oder sind sie einfach 'nur' Träger von Werbebotschaften?
Blogs können das durchaus, genau wie alle anderen Medien. Das liegt aber an der Gesellschaft. Im Moment sind wir doch von Werbebotschaften überflutet, merken es oft nicht einmal, weil wir zu wenig kritisch hinterfragen, aus welchen Motiven und von wem diese Medien (Publikationen) geschaffen wurden. Im Endeffekt spiegeln Blogs und andere Medien eben nur die Gesellschaft wieder.

Was sind die Stärken von Blogs, was die Schwächen?
Zu den Stärken zähle ich die demokratischen und einfachen Mechanismen, mit denen ein Blog aufgesetzt werden kann. In der mangelnden Qualitätskontrolle und den noch nicht ausreichenden Filtern liegen die großen Schwächen. Dadurch werden einerseits zu viele Inhalte verbreitet, die einfach falsch oder schlecht sind und andererseits fehlen Korrekturwerkzeuge, mit denen sowohl Persönlichkeitsrechte als auch geistiges Eigentum geschützt werden können. Es fehlt vielen Bloggern einfach an dem nötigen Wissen und dem Verantwortungsbewusstsein, das sie als freie Publizisten haben.  

Wann ist in deinem Augen ein Blog erfolgreich?
Das hängt wohl von den individuellen Zielen der Blogbetreibenden ab. Wenn sie zu Parties eingeladen und viele Geschenke haben wollen, sind viele Blogger erfolgreich. Wenn man die heute gängigen Praktiken aber etwas kritischer betrachtet, sind viele der Blogger nur mündige Konsumenten und werden von Agenturen "nur" als sog. Multiplikatoren betrachtet. Austausch und Zusammenarbeit findet hier nicht auf Augenhöhe statt. Wenn ein Blog als verantwortungsvolle Publikation sowohl den Ansprüchen einer nennenswerten Leserschaft gerecht wird und sich von Agenturen nicht instrumentalisieren lässt,  sehe ich es als erfolgreich an. Ob es sich dabei als Liebhaberprojekt nicht finanziell trägt, nur kostendeckend oder sogar profitabel zu sein hat, sollte die/der HerausgeberIn selbst entscheiden. Sobald aber Werbung - ob direkt als Anzeige oder verdeckt als Advertorial (was dann unbedingt z kennzeichnen ist) - im Spiel ist, sollte es meiner Meinung nach zumindest keine Verluste machen.

Funktionieren Blogs als Geschäftsmodell? 
Das können sie. Dafür müssen sie aber auch grundsätzlich so betrieben werden. Das heißt, die Qualität des Produktes muss stimmen und die Blogger sollten wissen wie die Vermarktung funktioniert, d.h. auch welchen Wert sie generieren. Bei vielen scheitert es aber an mindestens einem der drei Faktoren. Übrigens sehe ich bei vielen renommierten (Print-)Publikationen auch noch nicht den richtigen Erfolg bei der Online-Vermarktung. Es gibt zu wenig Mut und Ideen bei der Monetarisierung von digitalen Inhalten, leider wird nachwievor zu viel über Print quersubventioniert, anstatt integrierte Konzepte zu entwickeln.

Was denkst über Blogs, die vor allem deshalb betrieben werden, weil der/die MacherIn 'berühmt' und 'reich' damit werden will? 
Denen wünsche ich dabei viel Erfolg und dass sie damit glücklich werden.

Wie wichtig ist die Interaktion mit dem Leser (Kommentare, Gewinnspiele, etc.)?
Das hängt von der Zielsetzung der blogbetreibenden Person ab. Kommentare (und Diskussionen) zu Tagesoutfits empfinde ich als Zeitverschwendung. Lieber als Gewinnspiele und materielle Verteilung sind mir jedoch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen und nachhaltiger Meinungsaustausch. Der ist digital jedoch noch nicht so möglich, wie in einer persönlichen Diskussion oder bei einem Forum.

Was muss ein Blog bieten, um dich als Leser zu gewinnen und langfristig auch zu halten?
Zunächst dürfen die Texte nicht wirken, als wären sie für Such- und Konsummaschinen geschrieben. Ich schätze es, die Persönlichkeit der Autoren oder objektive Reflektion der Themen zu erkennen. Ich lese daher nicht viele Blogs, aber meine Lieblinge lese ich nicht, weil ich den RSS-Feed abonniert habe, sondern weil mich die qualitative Aufarbeitung und Meinung zu den ausgesuchten Themen und Inhalten immer wieder aufs Neue inspirieren.