Wieviel Schönheit ertragen wir? Kann der Mensch eigentlich unbegrenzt davon aufnehmen ohne sich selbst zu Grunde zu richten? Die ersten Models betraten den Laufsteg bei Dolce&Gabbana, die Musik setzte ein und ich lag eigentlich schon am Boden. Es war als wäre man in meine Gedanken eingedrungen, ganz tief in die hintersten Winkeln meines Unterbewußtseins, und hätte aus den dort gefundenen Idealvorstellungen einen Mann gebastelt. Der junge Ludwig II., Robert de Montesquiou, die Männer auf den Bildern von Boldini und in den Opern von Verdi wurden zum Leben erweckt; die Bohemiens und Träumer, die das ausgehende 19. Jahrhundert bevölkerten. Mode spielt immer mit Träumen und Sehnsüchten, doch meist mit denen der Designer. In diesem Fall wurden die meinen schlagartig zum Leben erweckt.
Eine schiere Überzahl an Modellen haben die Mailander Modemacher wieder auf den Laufsteg geschickt, drei Themenkomplexe sind erkennbar. Die Kollektion gliedert sich in einen öffentlichen und einen privaten Bereich, und schließlich noch einen letzten Komplex mit festlich bestickten Smookingjacken. Orientiert hat man sich auch dabei an den Verhaltensmustern der Aristokratie dies 19. Jahrhunderts. Während man Zuhause Hausmäntel, oder eben wie bei Dolce&Gabbana Seidenpyjamas trägt, ist die Kleidung für die Straße sehr formell. Einzig Hosen mit so tiefen Schritten hätte es nicht gegeben und auch in der Kollektion hätte man sie weglassen können. Am Abend wird die ganze Pracht höfischer Stickerei sichtbar, wie sie heute eigentlich nur noch die Livreen der Mitglieder der Académie française zieren.
Doch ist das was Dolce&Gabbana zeigen wirklich als Mode zu bezeichnen? Es war eine Imagination, eine Kulisse in der die Protagonisten in wunderschönen Kostümen umherwandelten. Es war wie eine Couture Show von Dior. Wenig von dem was gezeigt wurde kommt am Ende in die Läden, da hängen dann abgeflachte Versionen, die nur Buchstücke vom dem enthalten, was den Zauber der Kollektion ausmacht. Doch gleichzeitig ist auch nachvollziehbar, warum das so sein wird: Wir sind nunmal alle keine Prinzen oder Helden in Opern. Wir leben auch nicht in den Kulissen der Mailänder Scala.
Bilder via Dolce&Gabbana