Streetwunway, das sind die Schwestern Nicole und Stephanie Neuberger. Gemeinsam schreiben die beiden über Mode und all das, was dazugehört.
Gemeinsam haben sie geduldig meine Fragen über sich ergehen lassen. Vielen Dank für die aufgebrachte Zeit und für die interessanten Antworten.
Wie kamt ihr zum bloggen?
Stephanie: Um ganz ehrlich zu sein, waren die Anfänge von Streetrunway eher naiv. Wir haben beide Germanistik studiert und arbeiten freiberuflich. Wir dachten, dass Streetrunway eine Möglichkeit ist, für uns selbst über unsere Leidenschaft, die Mode, zu schreiben. Welche Arbeit hinter einem Blog steht, haben wir zu Anfang gar nicht erkannt. Schnell mussten wir feststellen, dass technische Grundkenntnisse und auch das Wissen um die rechtliche Lage zum Bloggen dazugehören. Allerdings hat sich am Inhalt unseres Blogs nichts geändert. Wie in den Anfängen geht es auch heute noch um Mode. Nur die Arbeit hinter den Kulissen der Seite ist aufwändiger, als wir zu Beginn dachten. Sicherlich arbeiten wir heute auch professioneller und haben daher das Layout der Seite angepasst. Auch die Qualität unserer Bilder ist im Laufe der Jahre besser geworden.
Welchen Stellenwert hat Mode in eurem Leben?
Stephanie: Mode hat und hatte in unserem Leben schon immer einen hohen Stellenwert. Man könnte sagen, wir haben unsere Leidenschaft zum Beruf gemacht. Bereits bevor Streetrunway ins Leben gerufen wurde, haben wir über Mode gesprochen, gerne geshoppt und Kollektionen verfolgt. Ein Teil von Chanel zu besitzen, war und ist immer noch ein Wunschtraum und eine große Schwäche für Schuhe hatten wir bereits vor dem Bloggen. Heute teilen wir es auch mit anderen. Sicherlich beschäftigen wir uns nun intensiver mit Mode. Sie hat als täglich Brot noch an Stellenwert in unserem Leben gewonnen. Dennoch ist und bleibt sie vor allem Passion und keine Pflicht.
Und welchen hat Mode als Kulturgut allgemein?
Nicole: Mode ist Ausdruck des Zeitgeistes oder auch der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und somit auch immer Teil von Geschichte und Kultur. Was wäre die Punkbewegung ohne Vivienne Westwood? Die Befreiung aus dem Korsett und die Hose für die Frau hatten wichtigen Symbolcharakter für die Gleichberechtigung und Emanzipation. Schaut man heute ein Kleid aus den Zwanziger Jahren an, kann man den Geist der Goldenen Zwanziger beinahe spüren. Natürlich ist nicht jedes Kleidungsstück ein wichtiges historisches Zeugnis, aber jede Zeit oder kulturelle Strömung hat auch eine eigene Mode, die nicht weniger interessant ist als die Literatur oder Musik einer bestimmten Epoche.
Ticken die RheinländerInnen modetechnisch anders als die BerlinerInnen?
Stephanie: An keinem anderen Ort Deutschlands ist Mode so kreativ wie in Berlin. Nicht selten erobern Trends von der Hauptstadt aus den Rest der Nation. Modische Grenzen kennen die Berliner ganz offensichtlich nicht. Was herrlich inspirierend ist. Aber auch das Rheinland ist modisch interessant, da sich der Stil von Stadt zu Stadt ändert. Bei einem Spaziergang auf der Kö in Düsseldorf zum Beispiel begegnet man allen Luxusmarken. Frauen in Designerkleidung sind dort die Regel. Den Luxus trägt man auf der Kö am Leib. Köln hingegen ist modisch lockerer, moderner und lässiger. Dennoch müssen wir den Hut vor der modischen Kreativität der Berliner ziehen, auch wenn wir aus dem Rheinland stammen.
Glaubt ihr Blogger können Mode einer breiteren Öffentlichkeit zuführen? Oder sind sie eher 'nur' die Träger von Werbebotschaften und steigern nur das Verlangen nach Produkten?
Nicole: Das spannende an Blogs ist doch, dass sie Mode durch die Augen der jeweiligen Blogger zeigen. Es geht doch gar nicht darum, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Mode oder einzelne Produkte zu lenken, sondern darum ein Schaufenster auf einen kleinen Teil der Mode - nämlich den der uns gefällt und interessiert, zu bieten. Ich lese andere Modeblogs besonders gerne wenn der Stil der Blogger sich von meinem stark unterscheidet und ich so die aktuellen Kollektionen durch die Brille eines anderen sehen kann.
Waren BloggerInnen in den Anfangsjahren kreativer, weil sie unbedarfter waren?
Nicole: Ich finde dieses 'Früher war alles Besser' Gejammer unnütz. Es ist doch gut, wenn Dinge sich entwickeln und voran getrieben werden. Ich glaube nicht, dass Modeblogs früher kreativer waren. Man bedenke, wie gruselig die Bilder aus Umkleidekabinen und vor dem heimischen Spiegel waren und wie viel schöner und kreativer Outfitfotos heute sind. Durch die wachsende Konkurrenz stecken die meisten Blogger viel mehr Mühe und Sorgfalt in ihre Artikel, was für die Leser sicher ein Gewinn ist.
Was ist überhaupt ein erfolgreiches Blog?
Nicole: Natürlich kann man die Qualität eines Blogs nicht an der Anzahl der Leser messen, aber wenn es um den objektiven Erfolg geht, wären die Besucher als Pendant zur Auflage wohl das Maß der Dinge. Ganz unkapitalistisch gesehen, ist ein Modeblog erfolgreich, wenn er seine Leser inspiriert, informiert und unterhält.
Was sind die Stärken von Blogs? Und was die Schwächen?
Stephanie: Die große Stärke von Blogs ist sicherlich ihre Schnelligkeit. Die Verbreitung von News, Trends und Kollektionen geht viel zeitnaher von statten, als es einer monatlich erscheinenden Zeitung möglich ist. Auch der Meinungsaustausch und die Kommunikation mit den Lesern ist sicherlich eine enorme Stärke von Blogs. Allerdings gibt es durchaus Schwächen, die für uns Zeitschriften unabkömmlich machen. Dazu zählen sicherlich Fotostrecken, Interviews und die allgemeine Sicht auf die Trends und die Mode. Die größte Stärke der Blogs ist auch eine Schwäche. Der Blickwinkel auf die Mode ist auf Blogs subjektiver als in Zeitschriften. Dort zählt die persönliche Meinung. Es ist nur ein Blickwinkel und nicht immer der der Allgemeinheit.
Was bedeutet der Austausch mit dem Leser in eurem Fall, aber auch ganz allgemein?
Stephanie: Der Austausch mit Lesern ist für uns immer eine große Freude und sicherlich auch eine kleine Bestätigung für die Arbeit, die wir in unser Blog stecken. Auch konstruktive Kritik nehmen wir uns zu Herzen und versuchen, diese zu berücksichtigen. Der Austausch mit Lesern bietet auch nicht selten, Anregungen oder weiterführende Informationen, die unser Wissen erweitern.
Wie wichtig ist Euch Kritik? Und wie sollte diese sein? Glaubt ihr Blogger sind allgemein kritikfähig genug?
Nicole: Kritik ist wichtig, wenn sie produktiv ist und nicht dazu dient, sich den eigenen Frust von der Seele zu schaffen. Leider bietet das Internet vielen Trollen eine Heimat, denen es nur darum geht, sich auf Kosten anderer besser zu fühlen, und darüber jegliche Contenance verlieren. In Bezug auf Kritik vermisse ich online die Höflichkeit des realen Lebens. Viele Kommentatoren maskieren Beleidigungen als Kritik und sind eingeschnappt, wenn ihre Statements nicht die erwünschte Aufmerksamkeit bekommen oder gar gelöscht werden. Wozu soll es gut sein, jemandem zu sagen, dass sein Outfit sch.. aussieht? Dass einige Blogger darüber dünnhäutig werden, verstehe ich.
Mittlerweile gibt es doch einiges an Vernetzungen und vor allem regelmäßig stattfindende Diskussionen und Vorträge. Inhaltlich sind es aber vor allem Themen wie Monetisierung und das Gewinnen von Werbepartnern, die interessant zu sein scheinen. Wie denkt ihr darüber und wie händelt ihr es bei streetrunway?
Nicole: Die Vernetzung ist toll. Ich finde auch die Diskussionen über Geld wichtig, um Erfahrungen auszutauschen und vor allen Dingen zu lernen. Die ständige Kritik, Blogger, die mit dem Blog Geld verdienen, seien nicht authentisch und würden sich verkaufen, nervt allerdings schrecklich. Nicht alle Blogger haben einen 9-to-5 Job oder gehen noch zur Schule, sondern leben wie wir vom Schreiben. Ein Journalist ist doch nicht weniger authentisch, weil er Gehalt bekommt, ein Musiker nicht weniger gut, weil er Platten verkauft und ein Buch nicht weniger lesenswert, weil der Autor daran verdient. Wir würden uns niemals für den Inhalt unserer Texte bezahlen lassen oder fremde Texte gegen Bezahlung veröffentlichen. Produkte, die uns zur Verfügung gestellt werden, verlosen wir. Geld zu verdienen, bedeutet nicht, seine Seele zu verkaufen.
Wie werden sich Blogs zukünftig entwickeln? Oder ist eventuell schon das Ende der Fahnenstange erreicht?
Nicole: Blogs werden sicher nicht wieder von der Bildfläche verschwinden. Sie sind in vielen Bereichen ein wichtiges, nicht mehr wegzudenkendes Medium geworden. Leider haben das auch Marketingprofis erkannt. Viele der neuen Coporate Blogs sind eine Aneinandereihung von Seo-Texten. Die Entwicklung finden wir bedenklich. Generell werden sich wahrscheinlich auch zukünftig große Blogs in Magazine verwandeln und sich vom typischen Kolumnenstil einer objektiveren Schreibweise zuwenden, andere wiederum bleiben hoffentlich ihrem Stil treu.