2011/10/14

Gebrüder Hoppenhaupt - Rokoko In Preußen...


Ich empfehle, noch bevor ihr weiterlest, mal schnell die Musikordner nach Musik von Friedrich II. zu durchsuchen. Vielleicht das Flötenkonzert in D-Dur, denn das hat jene Leichtigkeit und Verspieltheit, die wunderbar zu den Inhalten des nachfolgenden Textes passt. Das Konzert ist musikgewordenes Rokoko, und darum geht es hier. 
Der Stuhl oben im Bild ist angeblich ein Werk der Brüder Hoppenhaupt, nachgeprüft habe ich es nicht. Und vor vier Jahren war ich genauso wenig ein Fachmann was die Möbel des 18. Jahrhunderts angeht, wie ich es heute bin. Damals fand den Stuhl zwar schön, wirklich interessant finde ich ihn erst jetzt. Wer waren also diese Brüder, die dem Ruf Friedrich des Großen folgten und in Berlin und Potsdam sichtbar ihre Spuren hinterliessen?
Johann Michael und Johann Christian Hoppenhaupt stammten aus Merseburg. Bereits der Vater der beiden, er trug ebenfalls die Vornamen Johann Michael, gestaltete Innenräume. Während seiner Lehrzeit in Zittau gestaltete er unter anderem dem Bibliothekssaal des Franzikanerklosters aus, nach seiner Rückkehr baute er für das Herzogpaar Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg und dessen Frau Henriette Charlotte die Gemächer im Ostflügel des Merseburger Schlosses aus. 1713 wurde er Fürstlich Sächsischer Hofbildhauer, später dann Fürstlich Sächsischer Landbaumeister. 
Mit dem Rokoko der Söhne hatte sein Stil noch wenig zu tun. Es war Barock in der Art, wie ihn Balthasar Neumann in den Würzburger Residenzen zelebrierte, halt nur im kleinen. Die Söhne hatten also einen guten Lehrmeister, und dazu noch das Geschick und die Fantasie einen neuen Stil zu adaptieren und weiterzuentwickeln. 

Voltairezimmer im Schloß Sanssouci

In Potsdam und Berlin wuchs zur gleichen Zeit Friedrich heran. Und der Hof seines Vaters Friedrich Wilhelm I. war wirklich kein Musenhof. Er war einer der wenigen Herrscher Preußens, der in seiner Regierungszeit kein einziges Schloß gebaut hat und die vorhandenen auch kaum wertschätzte. Der kunstsinnige Kronprinz hatte Glück, dass er das von seinem Vater verhängte Todesurteil abwenden konnte, ums Militär kam er nicht herum. Und auch nicht um die Heirat mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bever. Nach dem Tod seines Vater 1740 begann er nicht nur damit Preußen zu einem kulturellen Zentrum zu machen und Schlösser zu bauen, sondern quartierte seine Ehefrau auch im Schloß Schönhausen ein. Später packten die Nazi's dort übrigens als entartet geltende Kunst rein, in den 1950-er begrüßte Wilhelm Pieck Ho Chin Minh dort und ab den 1960-ern war es das Gästehaus der DDR. 
Aber von diesem abgelegenen Ort wieder zurück zu schöneren Fleckchen, nämlich nach Potsdam. Noch unter Friedrich Wilhelm I. wurde Georg Wenzelslaus von Knobelsdorff berufen um für Friedrich und seine Frau das Schloß Rheinsberg umzugestalten. Es entstand eine enge Verbindung zwischen den beiden, vor allem bedingt durch gleiche Interessen. 
Geprägt war der Stil Knobelsdorff's durch Palladio. 1737 schickte Friedrich Knobelsdorff nach Italien und von dort brachte er den Stil mit, der vielerorts schon den Klassizismus vorwegnahm. Die Innenräume hingegen waren auf der Höhe der Zeit, nämlich reinstes Rokoko. Bevor die Hoppenhaupt's nach Berlin kamen und auch in deren Anfangsjahren, war Johann August Nahl 'Directeur des ornaments'. Sie schufen Möbel nach dessen Vorgaben und waren vortreffliche Handwerker, aber noch keine Künstler. 
Johann August Nahl hatte dann 1746 das, was man heute als Burnout bezeichnen würde. Er verließ Preußen und die große Zeit der Hoppenhaupts war gekommen. Johann Christian Hoppenhaupt leitete von nun an die Umbauarbeiten des Potsdamer Stadtschlosses und auch die Holzarbeiten im Inneren von Sanssouci wurden ihm übertragen. Johann Michael arbeitete in dieser Zeit teilweise unter Leitung seines Bruders, aber gleichzeitig auch für den Fürsten Christian August von Anhalt Zerbst. Das kleine Fürstentum war eng mit Preußen verbunden, das Frideriziansche Rokoko hielt Einzug. Die Tochter von Fürst Christian August war da schon aus dem Hause und auf dem besten Wege Zarin Katharine II., auch die Große genannt, zu werden. 

Stuhl von Hoppenhaupt, ca. 1760

Doch was ist das besondere an den Hoppenhaupt'schen Möbeln? Rankenwerk, Muscheln und später auch Blüten und andere Ornamente lassen Möbel entstehen, die im Gegensatz zu denen des Barock überaus verspielt sind. Ein statisches Rahmenwerk wird durch geschweifte Formen ersetzt. Auf Symmetrien wird verzichtet. Vor allem waren es keine Prunkmöbel mehr, die zur Repräsentation da waren, sondern kleine Möbel für das Private. Konsolen, Spieltische, Sessel und Canapé's entstanden, geschaffen um die neuen Salons auszustatten. 
Vor allem in Frankreich, Österreich und Deutschland war dieser Stil bekannt, in keinem anderen Land war das Rokoko so ausgeprägt.  Die engen politischen Beziehungen, wie freundschaftlich diese auch immer gewesen sein mögen, führten zu einem regen Austausch und selbst in kleineren Residenzen wie Bayreuth blühten die Rocaillen. In Frankreich nennt man das was hier Rokoko heißt und sich aus den Wörtern 'Rocaille' und 'Coquilles' zusammensetzt übrigens Louis-Quinze.
Die Welt des Rokoko war ein Garten. In den Innenräumen der Schlösser zog eine luftige Leichtigkeit ein, die das draußen nach drinnen holen sollte. Die Wände und Decken wurden mit reichen Stuckwerk ausgekleidet. Die Möbel waren so gestaltet, dass sie sich in die Architektur einfügten. Vor allem die Konsolentischchen, die mit der Wand verankert wurden und die reich gestalteten Spiegel ergänzten, sind typisch und in nahezu allen Schlösser zwischen 1730 und 1770 zu finden. 
Die Hoppenhaupts arbeiteten eng zusammen, auch wenn sie nicht immer am gleichen Ort tätig waren. Ihren Stil kann man schwerlich auseinanderhalten. Signiert sind die Möbel auch nicht, deshalb ist eine konkrete Zuordnung meist nur möglich, wenn sich alte Rechnungen in den Akten finden. Alle Arbeiten nach 1755 sind dann natürlich von Johann Christian, denn sein Bruder starb in diesem Jahr. 
Möbel von Hoppenhaupt sind in den wichtigen Sammlungen und Museen vertreten, und manchmal gelangen auch Stücke auf dem Kunstmarkt. Ein Stuhl, wie er im zweiten Bild zu sehen ist, kostet dann schnell mal 25.000 Euro. Oder mehr, je nach Provenienz und Bekanntheit der Vorbesitzer. 

Cuvilliés-Theater 

Bevor ich mich ins Wochenende verabschiede, noch ein kleiner Ausflug von der Spree an die Isar. François de Cuvilliés schuf in der Münchner Residenz eine Meisterwerk des Rokoko, heute trägt das Theater seinen Namen. Wer also in München wohnt oder zu Gast ist und nun ein bisschen Lust auf Rokoko hat, sollte mal vorbeischauen. 
Nun könnt ihr die Musik wieder ausmachen!

Bilder von hier, hier, hier und hier