Nach einem Blockbuster in der vergangenen Woche, war es diesmal 'intelektuelles' Kino, dass mir den Samstag Abend versüsste. Woody Allen's 'Midnight in Paris' war definitiv wunderbare Unterhaltung, und zugleich eine kleine Traumreise in die Stadt an der Seine.
Eine Intention des Kino's ist es den Besucher mitzunehmen, ihn zu fesseln. Allen gelingt das schon gleich zu Beginn des Films, in dem er einem minutenlang Postkartenmotive vor Augen führt und so zeigt, wie schön diese Stadt ist und was seinen Hauptprotagonisten Gil Pender, gespielt von Owen Wilson, so fasziniert; in Paris möchte der Drehbuchautor seinen ersten Roman schreiben. Die TAZ verglich dieses Bild gewordene Klischee auf das Allen zweifellos abzielt mit der Vorstellung amerikanischer Intellektueller an der Seine ihr 'Glück' zu finden. Und dabei sind es nicht nur Amerikaner die so denken. Wenn Gil Adriana (Marion Gotillard haucht dieser Rolle französischen Esprit ein) beschreibt, dass Paris der leuchtendste Ort des Universums sei, kann das wohl jeder Kinobesucher nachvollziehen.
Paris ist immer in gewisser Weise Realitätsflucht, jeder projiziert andere Vorstellungen auf hinein, mit der Realität haben diese selten zu tun. Niemand will das Paris von heute, sondern für die einen ist es die Mode, die sie anzieht, und für die anderen die intellektuellen Zirkel der 1920-er. Und dann ist ja noch die Idee von Paris als der 'Stadt der Liebe', in der man glaubt automatisch Romantik zu finden.
Der Film beginnt auch genau damit, dass Gil Pender mit seiner Verlobten in die Stadt kommt um dort ihre Hochzeit und das spätere gemeinsame Leben zu planen. Obwohl Inez (Rachel McAdams) nicht unsympathisch ist, weiß man doch recht schnell, dass die beiden keinesfalls zusammenbleiben werden, von glücklich ganz zu schweigen. Sie leben in unterschiedlichen Welten, haben unterschiedliche Vorstellungen und Werte. Verständlich auch, dass es Gil nicht gelingt Inez in seine Träume einzubeziehen und stattdessen in Adriana ein perfektes Gegenüber zu finden scheint.
Seine nächtlichen Zeitreisen bringen in eine Welt, die er im ersten Augenblick als passender für sich selbst empfindet. Er trifft seine Idole Hemingway, F. Scott Fitzgerald und Cole Porter, er tanzt mit Josephine Baker und Djuna Barnes; und debattiert mit Gertrude Stein (Kathy Bates), die als Erste den Roman lesen darf.
Der Film ist jedoch auch von einer Erkenntnis geprägt, nämlich, dass die Vergangenheit immer romantisch gefärbt ist und die Menschen zu allen Zeiten die Vergangenheit als das 'Goldene Zeitalter' betrachtet haben. Gil Pender findet darin den Weg zurück in Gegenwart und kann damit auch seine Fesseln abschütteln. Am Ende spaziert Gil im lauen Sommerregen über die Pont Alexandre III., und plötzlich ist das Paris der Gegenwart der schönste und romantischste Ort der Welt.
Woody Allen ist in vielerlei Hinsicht ein kleines Meisterwerk gelungen. Er betrachtet die Irrungen und Wirrungen der Liebe und des Lebens, all die verschlungenen Wege, auf eine wunderbar leichte und ironische Art und Weise. Die Schauspieler bieten viel Fläche um die eigenen Wünsche und Sehnsüchte auf sie zu projizieren. Na ja, eher vielleicht auf Owen Wilson als auf seinen nörgelige Verlobte Inez. Oder gar auf den pedantischen Besserwisser Paul (Michael Scheen). Und wie wunderbar Adrien Brody Salvador Dalí spielt! Der Gastauftritt von Carla Bruni war hingegen gut für die Vermarktung des Films, es ist aber doch nur eine wirklich kleine Gastrolle, die die Première dame Frankreichs da hat.
Die Ausstattung des Filmes ist meisterhaft, immer authentisch und gut recherchiert. Rachel McAdams' Rolle ist die einer modernen jungen Frau, die sicherlich einen Kundenaccount bei net-a-porter hat. Ihre Plateau-Sandalen zu den Hemdblusenkleidern sind schick, aber auch nicht übermodisch. Und all die Handtaschen, sichtbar von Dior und Hermès, stehen für zeitlose Eleganz. Gil trägt Chino's, Hemden und Tweed-Jackets; sehr klassisch und an Woody Allen's eigenem Kleidungsstil orientiert. Man wird den Film auch in zehn Jahren noch anschauen können ohne dass die Looks antiquiert erscheinen.
Der Spiegel bezeichnet 'Midnight in Paris' als "Woody Allens schönster Film", womit sie zweifellos recht haben.
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