Gott, was habe ich mich doch gefreut, als heute endlich eine Spülmaschine in unserer Wohnung Einzug gehalten hat. Etwas mehr als zwei Jahre hat sich dieses Thema hingezogen, scheiterte an unserer Unentschlossenheit und an fehlendem Fachpersonal in den Geschäften, war aber mindestens jeden zweiten Tag auf dem Tablett und ganz oben auf der To-Do-Liste. Nun steht der Traum in Weiß!, mit Energiesparklasse A+++ und natürlich einen Wasserverauch in Schnapsglasgröße! Funktionieren tut sie noch nicht, der für die Wasserversorgung zuständige Hahn ist defekt und der Klempner kann erst morgen kommen. Doch dies kleine Detail ist egal, angebetet wurde das Gerät schon ausgiebigst.
Warum ich dieses Anekdötchen überhaupt hier schreibe? Es passt so wunderbar und führt mir meine eigene Speißigkeit wunderbar vor Augen. Als ich am Dienstag freudig aus der Mittagspause zurück zur Arbeit kam und einer lieben Kollegin und Freundin von meinem Kauf erzählte, begann sie lauthals zu lachen und als sie nach zehn Minuten wieder halbwegs atmen konnt, war die erste Frage: "Willst du die für die nächsten 35 Jahre haben? Miele kaufen nur ältere Leute!" Ja, mein Spießerherz machte Freundensprünge im Fachgeschäft beim Kauf dieses langlebigen Haushaltsgerätes; die Vorstellung über Jahre dieses Thema aus dem Kopf zu haben befriedig meine Spießerseele ungemein.
Neben der Vorfreude auf meine neue Spülmaschine, flatterte gestern aber noch ein Paket ins Haus mit viel neuer Lektüre. Unter anderem dabei das bei Tropen erschienenen (Selbst)Erkennungsbuch 'Der Moderne Spießer' von Charlotte Förster und Justus Loring. Auch wenn ich das Kapitel über die Anschaffung von Haushaltsgroßgeräten noch nicht gefunden habe, konnte ich mich doch recht schnell wiederfinden, und eigentlich auch jeden Menschen in meinem Umfeld. Auf charmant komische Art und Weise werden unsere Alltagsmanierismen auseinandergenommen und uns der Spiegel vorgehalten. Natürlich werde ich mich auch beim nächsten Manufactum-Einkauf wieder tagelang über die Schönheit der neuen Butterdose auslassen oder den Kupfertopfkratzer wärmstens weiterempfehlen, weil man das von solcher Qualität und Effizienz im nahegelegenen Drogeriediscounter ganz sicher nicht findet. Aber ich werde mir auch, nicht das es nicht vorher schon gewußt hätte, der Lächerlichkeit solcher Unterhaltungen bewußt sein.
Das beste an dem Buch ist ja, dass man sich bestenfalls darin erkennt und einem klar ist, wie spießig nun einmal unser aller Alltag ist. Daran lässt sich eigentlich auch nichts drehen, sogern man es vielleicht anders hätte. Schlimm nur, wenn man sich die eigene Spießigkeit nicht eingestehen will, denn gerade dann kommen all die Plattitüden zum Vorschein, die den Spießer entlarven.
Was aber im Buch fehlt sind die schlimmsten aller Spießer: die Schwulen. Schließlich sind wir es doch die genau wissen welche Marke nicht nur das Geschirr sauber zu spülen vermag, sondern sich dann auch noch gut im Portfolio macht. Oder wo bei Manufactum die Verbenehandseife in der Nachfüllgröße steht. Kosmetikartikel, natürlich Natur und Bio und Fair, werden vor dem Kauf dahingegehend geprüft ob sich die Etiketten auch ohne Rückstände von der Flasche lösen lassen und zum Einkaufen hat man immer je nach Menge einen Jutebeutel oder eine Ikeatüte dabei.
Das Buch macht Spass und sieht gut aus, passt perfekt ins Bücherregal neben die Werke von Axel Hacke und Bastian Sick, den Travelguide mit den 20 schönsten Designhotels Lettlands und die Domus-Reihe, die sich so dekorativ im Regal macht...
Der Moderne Spießer
2014, 176 Seiten
ISBN: 978-3-6085-0320-3
Preis: 14,95
Freundlicherweise zur Rezension zur Verfügung gestellt von Tropen (Klett-Cotta)