Mode ist im Grunde nichts anderes als eine Vereinbarung weniger darüber einen bestimmten Kleidungsstil als zum aktuell vorherrschenden Zeitgeist passend zu proklamieren. Anfangs stimmen dem nur wenige zu, später immer mehr. Wenn eine Mode dann bei allen angekommen zu sein scheint, ist sie schon längst wieder aus der Mode. Diese Prozesse wiederholen sich immer schneller, mittlerweile so schnell, dass wir in einem Zeitalter vieler Stile aber ohne Moden leben.
Schon 1993 veröffentlichte Barbara Vinken 'Mode nach der Mode – Kleid und Geist am Ende des 20. Jahrhunderts' und schrieb damit das noch heute gültige Traktat über das Ende dessen, was 100 Jahre lang das System der Mode ausmachte, nämlich ein von einem bestimmten Ort und von bestimmten Personen vorgegebener Trend, dem sich in nur geringfügig geduldeten Abwandlungen zu unterwerfen war. Zwar gab es schon immer eine Avantgarde, die Reformen herbeiführte, aber das System selbst nicht umstoßen wollte. Worth, Poiret, Chanel, Dior und Saint Laurent waren zwar Neuerer, bewegten sich aber in einem altbekannten und Sicherheit bietenden System, dass in den 1980-er Jahren erstmals von den japanischen Designern mit ihrer radikalen Ästhetik erschüttert wurde.
Der Hiroshima-Chic, jene mit Löchern übersäten und voluminös unförmigen Kleider, die Rei Kawakubos um 1983 zum ersten in Paris zeigte, war das Gegenteil der breitschultrigen Montana-Frau. Kleider wurde nicht geschaffen um Macht zu symbolisieren, Kleider wurden zu Hüllen für die zerbrechliche Seele.
Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt zeigt noch bis September eine kleine Schau, die neben ein paar Bekannten Avantgarden der Mode nach der Mode vor allem eine neue Generation von Designerinnen und Designern vorstellt und teils sehr gelungen deren Positionen auf den Punkt bringt. Das Handwerk, dass Mode zu Kunst werden lassen kann, steht genauso im Vordergrund, wie philosophische Ansätze, das Auflösen des Geschlechts und eine neue Definition von Ästhetik.
Der Museumsbesucher trifft auf alte Bekannte (Yohji Yamamoto, Martin Margiela und Alexander McQueen), lernt aber vor allem die zukunftsweisenden Herangehensweisen von Augustin Teboul, Boris Bidjan Saberi, Julia Heuse, Leandro Cano und ein paar weiterer Designer kennen, deren Arbeiten die Grenzen zur Kunst hin verschwimmen lassen. Verbindendes Element ist dabei ein sich durch die Ausstellung ziehendes Schwarz, das Hang zur Melancholie dieser neuen Kleidermode sichtbar werden lässt.
Die von Mahret Kupka und Matthias Wagner K kuratierte Ausstellung wurde von Zana Bosnjak szenografisch umgesetzt und passt sich gut ein in Richard Meier's Museumsbau, der ohnehin viel Platz für Individuelles bietet und nach der letzten Modernisierung neu erstrahlt. Es Publikumsmagnet ist sie wohl dennoch nicht, einfach weil das Thema zu sperrig ist und Mode nicht in konventionell romantischer Art und Weise hübsch auf Figurinen trapiert ausstellt. Das Thema erfordert eine etwas tiefere Auseinandersetzung mit der Materie, die aber in der Ausstellung selbst ein wenig zu kurz kommt und erst das Begleitheft bietet. Aber das gibt es für einen Euro glücklicherweise an der Kasse.