Aufgewärmtes Essen soll ja bekanntlich am besten schmecken und Montags war zumindest früher als man nichts weggeworfen hat immer der Tag, an dem Reste essen angesagt war. In der Mode jedoch verhält es sich ein bisschen anders. Klar, man kann alte Entwürfe wieder aus dem Fundus oder dem Archiv holen, aber man sollte entweder mehr als ein zwei Jahre vergehen lassen oder sie dann wenigstens so verfremden, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen sind. Die gestrige Jil Sander Show, sie wurde von nicht wenigen heiß ersehnt und war mehrfach als eine Art Rückkehr der Sander'schen Simplizität gepriesen worden, war ein solches Resteessen.
Buschige Silhouetten, rund geschnittene Schulterpartien und, sofern mal vorhanden, hoch angesetzte Taillen machen die Kollektion aus. Und nicht zu vergessen die trapezförmig geschnittenen Kleider, die so merkwürdig nach vor abstehen. Es sind sehr konstruierte Looks, die aber selten wirklich lässig wirken, eher bemüht modern. Genau dadurch aber wirken sie alles andere als das. Wenig von dem was zu sehen war neu, was ich aber doch ein wenig voraussetzte, wenn eine Designerin (und ein sicherlich nicht gerade kleines PR-Team) im Vorfeld ordentlich Wind machen. Mein erster Eindruck war in der Tat der, dass es auch gut eine COS-Kollektion von vor zwei Jahren sein könnte. Auch Parallelen zu alten Prada-Kollektionen lassen sich herstellen, ein bisschen Raf Simons findet sich. Und wollte sie nicht gerade genau diesen vergessen machen?
Doch trotz aller Kritik kann man sich die Kleider und Ensembles sehr gut anschauen und sich auch die jeweils passenden Trägerinnen dafür vorstellen. Mir gefielen zum Beispiel die fast bäuerlich wirkenden Kombinationen aus Bluse und hoch in der Taille sitzendem Rock, und auch die Mäntel lassen durchaus nicht nur Frauen mit Konfektionsgröße 36/38 gut aussehen. Aus Verkäufersicht ist es die Kollektion also gelungen, aber ein Meilenstein der Mode ist sie sicher nicht.
Zum Schluss zitiere ich noch den geschätzten Horst von Lynn&Horst, der als wir kurz bei Facebook über die Kollektion schrieben so treffend anmerkte: "Der Kleiderschrank einer langweiligen Frau.". Dem muss ich wohl nichts mehr hinzufügen.