Die frühen 1930-er Jahren waren nicht einfach für Amerika. Die dem 'schwarzen Freitag' nachfolgende Wirtschaftskrise hatte das Land geschwächt und die große Depression lies nicht nur Banken untergehen, auch der Einzelhandel litt. Bekleidungsgeschäfte machten dicht, weil die Leute entweder kein Geld mehr hatten das sie ausgeben konnten, oder aber weil das was in den Regalen lag niemand mehr haben wollte. Doch scheinen auch gerade die schweren Zeiten ein guter Nährboden für Ideen zu sein. Im Frühling 1931 kam ein junger Journalist, der in einem Verlag für die Herausgabe von Werbebroschüren zuständig war, auf die Idee ein Modemagazin für Männer zu konzipieren, welches dem Handel helfen sollte Kunden die neuen Trends nahezubringen. Arnold Gingrich wurde zum Erfinder des modernen Männermodemagzins, aus Apparel Arts ging erst Esquire hervor und ab Mitte der 1950-er entstand Gentlemans Quaterly.
Vor ein paar Tagen entdeckte ich auf einem Stapel antiquarischer Bücher eine Publikation von Gruppo GFT. Der Verlag brachte 1989 eine analytische Auseinandersetzung mit dem Magazin heraus. In den ersten beiden Bänden wird sich mit der Mode und deren Darstellung beschäftigt, mit den Anzeigen und Artikeln über die Konzeption moderner Geschäfte. Der dritte Band ist ein vollständiger Reprint des Magazins, welcher anschaulich macht, wie modern Apparel Arts in seiner Zeit war.
Kombinatiosfächer mit Soffmustern für Anzug, Hemd und Krawatte |
Eingeleitet werden die ersten beiden Bände von Essay's, die in die jeweiligen Themengebiete einführen. Auch wenn es sich um einen italienischen Verlag handelt, der für den Reprint verantwortlich ist, sind diese doch glücklicherweise in englisch abgedruckt. Es wäre auch schade, wenn ich den wunderbaren Text von Luigi Settembrini nicht hätte lesen können. Er beschreibt seine Kindheit während des zweiten Weltkriegs und die abgeschiedene Idylle am Comer See, und das Zuhause immer die neuen Ausgaben des Esquire Magazins rumlagen. Später geht es um den Einfluss von Hollywood und die immer formidabel gekleideten Filmhelden. Zum Schluss kommt er auf seine Zeit in New York zu sprechen, wo er Norman Mailer zum Lunch getroffen hat. All diese Beschreibungen dienen aber nur dazu die Magie der Herrenmode zu beschrieben, die diese in jenen Jahren ausstrahlte. Die Magazine und die Filme idealisierten ein Männerbild, dass immer 'elegant' und 'gentle' war, vom Scheitel bis in die Schuhspitzen.
Nach diesem Text bekommen die folgenden Seiten des Buches plötzlich eine ganze neue Ausstrahlung. Was damals als Ratgeber konzipiert wurde, ist noch mehr Ideal als vor 80 Jahren. Es geht nicht nur darum, wie das 'perfekte' Sakko zu sitzen hat, es hat gücklicherweise auch nicht die nervige Zeigefingermentalität heutiger Stilratgeber. Charme und Witz stehen im Vordergrund, Spass an der Mode und Witz in den Details. Statt eines Gürtels ein Tuch durch die Schlaufen der Hose zu ziehen und dann in einer Hand einen Golfschläger und in der anderen eine Zigarette, hat Allure. Mal abgesehen davon, dass die Zigarette eh ein unabdingbares Accessoire zu sein schien, sind diese Männer alle Ikonen.
Collage aus Stoffmustern |
Fotografien finden sich kaum, wenn dann nur hin und wieder in der Art Streestylefotografie wie wir sie heute kennen. Die Kleider wurden gezeichnet, manchmal auch zu Stoffcollagen zusammengefügt. Die Collagen, ich weiß nicht ob die in den Orginalausgaben nicht sogar wirklich aus Stoffen eingeklebt wurden, sind entweder kleine Figuren oder Fächer. Besonders ist die Fächerform, weil in drei Reihen ein Look zusammengestellt wurde, plus einer Notiz bezüglich der passenden Schuhe am Rand. Was Ideenreichtum angeht können sich heutige Magazine eine Scheibe abschneiden, heute 'reichen' scheinbar Fotos aus.
Der zweite Band ist nicht weniger interessant, schließlich wird da gezeigt, wie Werber und Merchandiser in den 1930-er Jahren dachten. Es wurden nicht nur Anzeigen abgedruckt, sondern auch beschrieben, wie diese zu konzipieren sind. Dies war deshalb Teil des Magazins, weil sich Apparel Arts als Fachblatt an den Einzelhandel richtete, Esquire kam als Magazin für den Endverbraucher erst 1933 parallel auf den Markt.
Floorplan für den Bau eines sechsstöckigen Herrenausstatters, konzipiert von G.McStay Jackson |
Wie sich die beiden Segmente zusammenfügten, der Teil mit der Mode selbst und der über das Dahinter, sieht man dann im dritten Band ganz anschaulich. Es handelt sich um die Sommerausgabe 1934, die neunte insgesamt. Bademode und Reisen waren die großen Themen, aber auch Sport stand im Vordergrund. Mit heute kann man das kaum vergleichen. Man war damals nicht nur mit mehr Gepäck unterwegs, sondern zog sich auch für jede Tageszeit und Gelegenheit anders an. Das spiegelt sich natürlich im Magazin wieder. Was sich aber nicht geändert hat, ist die Menge an Werbung. Bei Seite 41 kommt erst das Inhaltsverzeichnis, bei der letzten GQ Style war das immerhin schon bei Seite 29 der Fall. Doch sind auch die Kampagnen gut anschaubar, weil sie eben auch den Zeitgeist widerspiegeln.
Die Frau bediente der Magazinmarkt mit Publikationen wie Vogue, Harper's Bazaar und vielen anderen Titeln, doch der Mann wurde bis dahin nicht bedacht. Apparel Arts erkannte diesen als Zielgruppe und sprach ihn auch explizit an. Das Magazin richtete sich vor allem nicht an die Frauen, die bis dahin auch für ihre Männer die Kleidung aussuchten. Es brachte den männlichen Kunden ein Gefühl für Qualität nahe, in dem es gegen die Manie ankämpfte, dass alles billig produziert sein muss um sich zu verkaufen. Auch das ist heute noch genauso modern wie damals in den 1930-ern.
Mit einem Dollar fünfzig kostete das Magazin genauso viel wie eine warme Mahlzeit, doch befriedigte es ein neues aufkommendes Bedürfnis nach Mode und Luxus. 'Fashion is the News' war die Botschaft, die über allem stand und von Apparel Arts verbreitet wurde.
Alle Bilder sind Scans des 1989 bei Gruppo GFT erschienenen Buches 'Apparel Arts'