Text und Bilder von Julia Zinnbauer
Düsseldorf und Berlin – die beiden Städte liegen nicht nur topografisch in der entgegengesetzten Richtung, auch ihr jeweiliges Image könnte unterschiedlicher nicht sein. Düsseldorf, ganz im Westen, wird gemeinhin mit Geld, Glitzer und rheinischer Gemütlichkeit in Verbindung gebracht. Berlin dagegen, im Osten der Republik, steht für Kreativität, aber auch für eine gewisse Strenge und, sagen wir mal, für knappere Finanzen. Im Bereich der Mode wird dieser Kontrast besonders offensichtlich, geht es hier doch nicht alleine um das Geld, sondern genauso um das Image, das man mit einem Kleidungsstück, einer Veranstaltung oder einer Stadt verbindet, und so treten Berlin und Düsseldorf in direkte Konkurenz zueinander. Es ist kein Geheimnis, daß Berlin zwar den cooleren Ruf hat und aufgrund seiner einzigartigen Geschichte und Infrastruktur Künstler aus aller Welt anlockt, in Düsseldorf ist jedoch, u.a. aufgrund der Nähe zur Ruhrgebietsindustrie, einfach mehr Geld im Umlauf. Zudem weist Düsseldorf mit beispielsweise der IGEDO eine lange Tradition als Messestadt auf. Trotzdem schielt man hier seit Jahren neidvoll nach Berlin zur Fashion Week und im Januar 2012 wird dort zur berliner Modewoche sogar das Café Moskau als Düsseldorf-Dépendance angemietet. Man beneidet die Hauptstadt um ihr Image, obwohl Düsseldorf doch ein ganz eigenes spezielles Image besitzt und auch pflegt. Das wurde mir gerade kürzlich wieder bewusst, als ich staunend an Philipp Pleins Shoperöffnung auf der Königsallee teilnahm und zu dem Schluß kam, daß es so etwas einfach nur in Düsseldorf geben kann.
Philipp Plein? Der mit seinen Strass-Totenköpfen bekannt wurde? Genauso überrascht war offensichtlich auch René, als er die Bilder des Abends auf meiner Seite fand und er bat mich umgehend, dazu einen Bericht für seinen Blog zu schreiben. Darüber habe ich mich natürlich riesig gefreut, steht doch René mit seiner Vorliebe für Materialgerechtigkeit und Minimalismus für den Standort Berlin und ich dagegen, mit meinem Hang zu jeglicher Art von Übertreibung und Opulenz, für die düsseldorfer Position (wobei ich natürlich auch „Form follows Function“ und Sichtbeton predige).
Philipp Plein hat nun also den Unterschied zwischen den beiden Städten und der damit verbundenen Kundschaft erkannt und ganz bewusst die Düsseldorfer Königsallee als Standort für seinen ersten Shop in Deutschland ausgewählt, die repräsentative Prachtmeile und Zentrum allen Glamours (obwohl das meiste Geld eigentlich ganz woanders gemacht wird).
Der zweite Aspekt, für den Plein bekannt ist, ist sein Marketingtalent, das ihn, im Gegensatz zu den meisten Kreativen, finanziell erfolgreich macht. Marcel Berndt hat dazu einen sehr aufschlußreichen Bericht mit dem Titel „Ein Jurist zieht die Schickeria an“ für die Welt verfasst. Ich muß zugeben, daß ich mich über die Einladung zu dem verheißungsvoll angekündigten „Grand Opening“ enorm gefreut habe und ich neugierig war, wieviel Glamour Plein nun wirklich in die Stadt bringen sollte. Und ich muß sagen, es hat einfach alles gestimmt an dem Event. Alles. Jedes Detail. Philipp Plein ist nicht einfach nur der Typ mit den Strassteinen, Philipp Plein ist der große Inszenator.
Voller Vorfreude machte ich mich also am Dienstagabend auf den Weg zur Königsallee. Schon aus einiger Entfernung sah man den hell erleuchteten Eingang des aufwändig umgebauten Sevens, einer mehrstöckigen Einkaufspassage mit imposantem Atrium, deren Optik nach nur zehn Jahren nicht mehr dem Zeitgeist entsprach und nun aufwändig von Silber-Blau auf aktuelles Weiß umgestaltet worden war, denn auch ein exzessives Verhältnis zu kostspieligen Bauvorhaben gehört zum Bild unserer Stadt.
Schaulustige pressten sich gegen die Absperrung, dunkle Wagen fuhren vor und zahllose Prominente in bodenlangen Chiffonkleidern oder schwarzen Ledermonturen betraten auf dem ebenfalls schwarzen Teppich den weißen Lichtkegel, der aus dem Inneren des Gebäudes kam. Die gesamte Inszenierung kam der einer Filmpremiere gleich. Pleins Laden selbst befindet sich direkt am Eingang des Gebäudes, sodaß dem Passanten schon vom Trottoir aus der riesige straßbesetzte Totenschädel entgegengrinst, das Markenzeichen des Unternehmens. Da die offizielle Eröffnung des neuen Sevens erst am Donnerstagmorgen stattfinden sollte, war die gesamte Passage noch abgeriegelt, diente den geladenen Gästen als Partylocation und bot Platz für einen Laufsteg. Total fasziniert von so viel Glanz tauchte ich in die Menge ein, die tatsächlich fast nur aus Gästen in Plein-Outfits bestand.
„Reserved for the privileged“ hieß es auf der Einladung und es war beeindruckend, wie sehr es Philipp Plein gelungen war, das Publikum so auszuwählen, daß es seine Corporate Identity und den Livestyle, für den seine Firma steht, perfekt wiederspiegelte. Man sah nur aufwändig frisierte Damen in engen Lederensembles, strassbesetzte Dekolletées, Chiffon und Federn, wobei die Farbe Schwarz definiv vorherrschte. Selbst ein Pudel war mit von der Partie, der zu seinem nachtschwarzen Naturpelz ein bunt glitzerndes Totenkopfshirt trug.
Wenn man bedenkt, daß ich bei meinem letzten Sevens-Besuch mehrfach von den Sicherheitskräften des Hauses verwiesen worden war, da ich vor dem Umbau noch ein paar Fotos des Gebäudes machen wollte, fühlte ich mich nun mindestens genauso „privileged“ wie all die Schauspielerinnen, Models, Moderatorinnen und Milionärsgattinnen, obwohl ich anstatt eines silbernen Totenkopfes auf Schwarz einen grünen Tintenfisch auf Gelb trug.
Mehr Düsseldorf-Feeling wäre einfach nicht möglich gewesen wäre, denn tatsächlich standen all jene, die man üblicherweise mit der Königsallee in Verbindung bringt, dicht gedrängt vor Pleins Ladentür und warteten gespannt auf den Einlaß. Die Klinke in die Hand gaben sich beispielsweise Verona Pooth, Charity-Ladies wie Gisela Muth und Mutter und Tochter Ohoven, das Ehepaar Lilly und Boris Becker, Starlet Verena Kerth mit Filmproduzent Martin Krug, und sogar Lagerfeld-Liebling Baptiste war mit von der Partie. Ein Meer aus schwarzem Leder, Nieten, Strass, blonden Haaren, kernig dreinblickenden Herren, jungen Mädchen mit langen Wimpern, shiny Leggins, matten Fransen, Schulterpolstern, fransigen Matten, hohen Hacken, gebräunter Haut, braun angemalter Haut, klirrenden Champagnergläsern und glänzenden Augen und mittendrin der Oberbürgermeister, der ganz in seinem Element vom Laufsteg aus die Boutique eröffnete. Ich war beindruckt. Philipp Plein hat bewiesen, daß er es einfach beherrscht, ein Image zu erschaffen, das hundertprozentig auf Düsseldorf zugeschnitten ist.
Was will man in einer Stadt denn auch mehr erreichen, in der der ehemalige Rektor der Kunstakademie, Markus Lüpertz, im Rolls Royce vorfährt, sich mit seiner totenkopfberingten Hand auf den Schädelknauf seines Spazierstocks stütz und mit einem Blick auf das Akademiegebäude dem Publikum zuruft: „Manchmal denke ich mir, das ist alles meins.“
Vielen Dank, liebe Julia, dass du dieses Erlebnis mit uns teilst! Es ist spannend einen Einblick in das Leben einer Stadt zu bekommen, die sich doch recht stark von Berlin unterscheidet.
Mehr von Julia Zinnbauer gibt es auf ihrem Blog Scissorella.