Am gestrigen Abend lud die Berlinische Galerie im Rahmen der Werkschau über den Künstler Rainer Fetting zu einem Gespräch mit dem Thema "Homosexualität und Kunst". Was im ersten Augenblick sehr verallgemeinert klingt, bezog sich speziell auf die Positionen Fetting's zu diesem Thema.
Nach einer Tischlerlehre und einem Ausflug ins Bühnenbild begann Rainer Fetting 1972 an der Hochschule für Künste zu studieren. Später prägte er als Teil der 'Neuen Wilden' / 'Jungen Wilden' die Berliner Kunstszene massgeblich mit und war neben Elvira Bach, Salomé, Helmut Middendorf und Bernd Zimmer einer der wichtigsten Künstler jener Jahre. Mitte der 1980-er, nach einigen erfolgreichen Gruppenausstellungen, ging er für einige Jahre nach New York. Themen seiner Bilder sind Großstadtmotive, und immer wieder Männer und deren Sexualität.
Der Vortrag hatte nun also genau dieses zum Thema, nämlich Sexualität im allgemeinen und Homosexualität im speziellen, und deren Auswirkung auf und deren Wirkung in der Kunst. Fetting's Identitätsbildung, auch seine Emanzipation als Künstler, fallen in die Zeit, als sich Homosexuelle zu befreien begannen. Das 'Sichtbar werden' spielte dabei die entscheidende Rolle. Homosexualität passierte, kam aber in der öffentlichen Wahrnehmung erst vor, wenn sie durch den §175 strafrechtlich verfolgt wurde. Mehr als 50.000 Verurteilungen gab es in der Nachkriegszeit.
Die Kunst der 50-er und 60-er Jahre war vor allem geprägt durch die abstrakten Expressionisten und deren 'Macho-Malereien'. In den frühen 1970-er kam eine neue Generation, die sich davon löste und die eigenen Thema in die Kunst brachte. Im Fall von Rainer Fetting war es die Darstellung junger Männern, in mehr oder weniger offensichtlichen Szenen zwar, aber unverkennbar schwul. Seine Bilder waren auch eine Reaktion auf Rosa von Praunheim's Film 'Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Welt in der er lebt'. Die Reformierung des §175 1975 war vielleicht eine Folge von von Praunheim's Film, sie hat aber auch den Weg für den heutigen Stand der Gleichstellung geebnet.
Martin Stahlhut, der Kurator der Ausstellung, lud für das gestrige Gespräch den Kuratoren-Kollegen Frank Wagner (rechts) und Prof. Dr. Martin Dannecker ein. Vor allem Dannecker ist selbst eine der Leitfiguren schwuler Emanzipationsbewegung und somit wohl bester Gesprächspartner, wenn es um die Auswirkungen der Schwulenbewegung auf die Kunst geht. Gleichzeitig aber ist für mich auch die Anstrengung hinter der Emanzipation gar nicht mehr nachvollziehbar, da sich das Leben heutzutage doch mehr als einfach gestaltet.
Was also bleibt von der Kraft und der Kritik in den Bildern? Kunst braucht den Kontext um nicht dekorativ zu sein. Klar können Arbeiten für sich stehen und sprechen, Fetting's Werke können das fraglos auch, doch erst mit den richtigen Information machen die Bilder wirklich Sinn und entfalten ihre Kraft und Präsenz.
Die Ausstellung geht noch bis zum 12. September.
Bild in der Mitte: Rainer Fetting Fummel Travestie 1977 (von hier)