"(Jeanne) Lanvin besaß eine instinktive Gabe, die Modebedürfnisse der modernen Frau zu erkennen und sie für jede Gelegenheit richtig anzuziehen.", so beschreibt Caroline Rennolds Milbank in ihrem Buch 'Couture' (DuMont) die Kunst der Designerin ganz treffend.
Immer wieder wird bekräftigt, dass Lanvin das älteste noch bestehende Couture-Haus der Welt sei. Und fraglos kann das mittlerweile zur Harmonie S.A. gehörende Modeunternehmen auf eine glanzvolle Geschichte zurückblicken.
Begründet wurde das Unternehmen von Jeanne Lanvin im Jahre 1909, doch ihre Geschichte begann bereits 20 Jahre früher. 1889 eröffnete Lanvin einen kleinen Hutsalon in der Rue Faubourg St-Honoré. Gut zehn Jahre später fertigte die alleinerziehende Mutter dann Kinderkleider für ihre Tochter Marie-Blanche. Um 1900 war es üblich Kinder wie kleine Erwachsene anzuziehen, meist wenig kindgerecht. Lanvin hingegen nähte Kleider die keine Kopien von Damenkleidern waren. Vor allem Kleider ohne einschränkende Mieder und hohe Kragen, dafür farbenfroh und mit Smog-Stickereien.
Lanvin's Talent bestand nicht nur in der Kreation dieser Kleider, sondern auch in der Vermarktung. Marie-Blanche war das ideale Modell und die mondänen Rennbahnen rund um Paris der ideale Ort diese auszuführen. Sie platzierte sich regelmässig vor der Haupttribüne wo die Damen der Gesellschaft schnell den Reiz dieser neuen Kindermode erlagen und ausgestattet mit Visitenkarten später ihren Weg in das mittlerweile vergrößerte Geschäft fanden.
1909 begann Jeanne Lanvin eine Damenkollektion zu entwerfen. Über den Weg der Kinder konnte sie auch die Mütter als Kundinnen gewinnen. Ihr weiblicher Stil gefiel und die Presse taufte ihre Modelle 'Stilkleider'. Klassische Mode, edel und raffiniert, aber nicht hoch modisch oder gar avantgardistisch. Sie war ein Gegenentwurf zu Coco Chanel; sowohl was die Designs angeht, aber auch in ihrer Lebensweise. Lanvin war emanzipiert, vielfach moderner in ihrer Denkweise als Chanel. Ihr Mode war jedoch für eine Frau gemacht, die nicht die körperlichen Vorraussetzungen für Entwürfe von Coco Chanel hatte, deren Körperlichkeit mehr Belle Epoque war als Garçon. Verständlich dass diese beiden Frauen keine Freundinnen waren. Als Lanvin dann 1927 ihren zweiten Duft 'Arpège' lancierte und dessen Erfolg schon 1928 Chanel Nr.5 auf dem Weltmarkt überrundete, wurde die Rivalität besiegelt. Lanvin wurde 1938 in die Ehrenlegion aufgenommen, was Coco Chanel so kommentierte: "Ich wußte nicht, dass Frauen auch mit Orden ausgezeichnet werden können."
Lanvin's allumfassendes Designkonzept zeigte sich auch dadurch, dass 1926 eine Männerlinie lanciert wurde und das Modehaus als erstes Couturelabel Kleidung für die ganze Familie anbot. Was mit Krawatten und Schals begann, gipfelte in den von Lanvin produzierten Uniformen der Académie Française. Für die reich bestickten Uniformen bot sich das Couture-Haus mit eigener Stickereiabteilung geradezu an.
Während des Krieges fertigte das Haus Lanvin Gurte für Gasmasken, wahlweise aus Filz oder Tweed. Letztendlich aber litt das Unternehmen wie alle Modehäuser unter den vorherrschenden Bedingungen, da Lanvin's Talente nicht gerade den Erfordernissen in Kriegszeiten entsprachen. 1946 verstarb sie im Alter von 79 Jahren.
Nach ihren Tode führte die Familie das Unternehmen weiter und schaffte es, sich den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Relevanz erlangte die Marke aber erst wieder durch die Berufung von Alber Elbaz zum Kreativdirector im Jahre 2001. Ein Jahresumsatz von 140 Mio. Euro 2008 spricht für sich. Eine Couturelinie gibt es allerdings bislang nicht.
Stattdessen nun die Kooperation mit H&M. Billige Kleider die aussehen wie Lanvin, sich aber kaum so anfühlen werden. Eine Daseinsberechtigung dafür gibt es trotzdem, schließlich haben so Kunden die Möglichkeit Lanvin zu 'spüren', für die Lanvin unerreichbar wäre. Und die Bekanntheit der Marke wird gestärkt. Morgen um acht(!) Uhr öffnen sich die Pforten zum 'Fashionhimmel', das Gedrängel wird kaum weniger sein als in den vergangenen Jahren und eher dem Fegefeuer entsprechen. Ich werde mal sehen, vielleicht stürze ich mich hinein und dokumentiere es.
Zum Schluß ein Zitat der Unternehmensgründerin:
"Modeschöpfer müssen darauf achten,
nicht zu prosaisch und praktisch zu werden."