2021/12/05

VALENTINO, Rome...

Nahe der Spanischen Treppe in Rom liegt das Stammhaus von Valentino. Eigentlich sind es mehrere Häuser, die sich um einen Platz gruppieren und das Herz der Marke bilden. Schaut man aufmerksam nach oben, sieht man hinter Fenstern Kleider entstehen und die fleißigen Hände in den Ateliers wirbeln. Es geht ein Zauber von diesen Mauern aus, vergleichbar mit der Rue Cambon oder der Avenue Montaigne. 

Die Schaufestern strahlen, die Vorweihnachtszeit wird auch bei Valentino mit Pailletten und Federn zelebriert. Die neuesten Schuhe sind genauso ausgestellt, wie die klassischen Rockstuds. Die neuen Roman Studs zieren Taschen und Schuhe. Schwellenangst, die diese ehrfurcherbietenden Mauern verursachen könnten, verfliegt schnell. Die Mitarbeiter sind alle mehr als freundlich. Vielleicht ist das die Philosophie des Hauses oder aber der Krise geschuldet, an der auch große Marken durchaus zu knabbern haben können. Asiatische Touristen und Reisende aus dem Golfstaaten sind aktuell einfach kaum sichtbar in Rom, somit fehlt diese Kaufkraft auch in den Flagshipstores. 

Umschauen, anfassen, anprobieren ist also kein Thema, wir wurden sogar ausgesprochen dazu ermutigt. Bei drei Etagen Herrenmode und Accessoires beginnt dann auch genau hier das Dilemma. Alles ist einfach wunderschön. 

Angefangen hat es mit diesem wunderschönen Wollmantel, der schon vom Treppenabsatz aus meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich habe ein Faible für ungefütterte Mäntel und Jacken aus Double-Face Wolle. Kommt dann noch etwas Kaschmir hinzu, ist es um mich geschehen. Doch das allein war es dann noch nicht. Applizierte Schmetterlinge können bei anderen Marken schnell zu Kitsch ausarten, bei Valentino heben sie das Stück noch etwas mehr. Der Mantel wurde also angezogen, er passte. Innerlich begann ich meinen Kontostand abzugleichen und kam schnell zu dem Schluss, dass er nicht drin ist. Ich spielte auch mit offenen Karten diesbezüglich. In anderen Geschäften werden die Verkäufer dann unsichtbar und vermitteln das Gefühl, man würde ihre Zeit verschwenden. Vincent, so hieß der Herr in diesem Fall, veränderte stattdessen seinen Blickwinkel und wurde zum Marketingprofi. Statt uns kurzsichtig Kleidung verkaufen zu wollen, verkaufte er uns die Philosophie des Hauses Valentino, die Handwerkskunst und Ästhetik hinter dem Produkt. Er hatte selbst Freude an den Dingen, wertschätzte und liebte jedes einzelne Detail. 

Ja, ich konnte seine Leidenschaft teilen. Männermode kommt viel zu oft nicht über Sweatshirts mit Markenlogo hinaus. Die Fantasie wird nicht angeregt. Hier war das Gegenteil der Fall, Träume in Stoff hingen auf den Bügeln. Ich trug einen Caban mit Stickeren aus Pailletten, die sich zu einem Karomuster fügten, einen Mantel, dessen Muster durch einzeln von Hand auf Tüll genähte Wollbahnen entstand und ein Cape, das auf meinen Schultern schwebte... Jedes Stück war handwerklich so nah an Couture, wie es eben für Ready-to-wear möglich ist. Tragbare Kunstwerke, die mich trotzdem nicht kostümiert aussehen ließen. Sie passten, sie wirkten selbstverständlich, sie werden zukünftig Richtmaß sein. 

Man probiert solche Teile nicht ohne Folgen. Man schult den Blick für Ästhetik, für Details. Die Finger spüren den Stoff und seine Haptik brennt sich ein. Diese Teile erheben. Nicht aber, weil das Logo Brust und Rücken ziert, sondern weil sie nach innen strahlen. Es geht nicht darum der Aussenwelt plump zu zeigen was man hat, sondern das Ich zu erheben. Es ist wie ein gutes Buch, ein guter Wein, gutes Essen. Nachhaltig bleiben Erinnerungen, die dann zu bewußtem Konsum führen. Das ist sicherlich zu philosophisch gedacht und es wird auch Menschen geben, die Stücke dieser Art konsumieren, entsorgen, neu konsumieren. Aber trotzdem kauft man Teile, die langlebig sind, weil sie eben gar nicht aus der Mode kommen können.

Was zählt ist in Geschäften auf Menschen zu treffen, die dem vielleicht weniger geschulten Kunden dieses Erlebnis vermitteln können. Die Kunst des Verkaufens besteht meiner Meinung nach nicht darin stumpfsinnig Ware anzuschleppen und dem Kunden nach dem Gießkannen-Prinzip überzugießen in der Hoffnung, dass er schon irgendwas mitnehmen wird. Nein, ganz im Gegenteil. Es geht darum Begeisterung zu wecken und ein Erlebnis zu kreieren, dass langfristig den Kunden in Erinnerung bleibt. Diese Erlebnisse bleiben und sorgen so dafür, dass auch das Geld am Ende in die richtigen Kanäle fließt. Wo gibt man sein Geld am liebsten aus? Da, wo das gute Gefühl auch langfristig bleibt!