War es nicht reichlich naiv zu glauben, dass in Russland mal schnell für ein paar Wochen (zwei um genau zu sein) Gesetze ausser Kraft gesetzt werden, die dann, wenn es soweit ist, gerade einmal vor einem halben Jahr verabschiedet wurden und von einer enormen Masse befürwortet werden, nur weil die Welt auf das Land schaut und man sich für zwei Wochen in einer bestimmten Region etwas weltoffener zu geben? Das olympische Komitee muss nun mit der Tatasche leben, dass SportlerInnen, Funktionäre, Begleitpersonen und Olympiatouristen durchaus mal schnell für ein paar Tage ins Gefängnis wandern und dann mit dem nächsten Flieger der Heimweg antreten, wenn sie sich öffentlich in positiver Art und Weise zum Thema Homosexualität äussern. Der olympische Gedanke hat wieder ein Stück seiner freiheitlich liberalen und sicherlich auch nach Toleranz stebenden Grundidee verloren. Die Firma Olympia muss laufen, ist schließlich ein Wirtschaftsfaktor, da kann eben nicht auf jede vermeintliche Minderheit Rücksicht genommen werden.
Russland ist keine Reise wert, weder zu den Winterspielen in Sochi noch sonst wann, so lange man nicht selbst sein kann und seine eigenen Lebenseinstellung zu verbergen hat. Und dass heißt nicht, dass ich grundsätzlich die Regenbogenfahne schwingend Ländern und Städte erkunden oder sonstwie mein schwul sein kundtun muss. Es geht um ein inneres Wohlfühlen, dass auch in unserer Gesellschaft für Homosexuelle schwer zu erkämpfen ist und das zumindest ich nicht bereit bin aufzugeben oder zu verleugnen. Für eine Minute nicht, für Tage und Wochen schon gar nicht.
Die Frage die bleibt ist, wie kann man denen helfen, die durch das jüngst verabschiedete Gesetz betroffen sind, den jeder Schutz ihrer Menschenwürde genommen wurde und schutzlos physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt setzt, was dazu führt, dass Selbstmordraten steigen, weil der Tod der einzige Ausweg zu sein scheint? Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung...
Bild: Zar Nikolaus II. beim baden