2011/09/27

Gattaca - Verstörende Zukunftsvisionen...


Gegen elf klingelte der Postmann und brachte die sehnlichst erwartete DVD-Bestellung. Nun suche ich die ja nicht nach Thema aus, sondern nach deren ästhetischen Wert. Drei Meisterwerke kann ich nun zu meiner Sammlung hinzufügen, das Erste wird nun hier vorgestellt. 
1997 erschien 'Gattaca' in den Kinos. Das Erstlingswerk von Regiseur Andrew Niccol zeigt eine beklemmende Version der Zukunft, die in so mancherlei Hinsicht unserer heutigen Welt weniger fern ist, als man es sich gerne eingestehen mag. Niccol beschreibt anhand seiner Protagonisten, wie nah siegen und verlieren doch beieinander liegen. Und auch, dass einzig durch die Kraft des eigenen Willens alle Naturgesetzte, oder eben die genetischen Veranlagungen, ausser Kraft gesetzt werden können.
In 'Gattaca' unterscheidet man zwischen Valid und In-Valid. Die einen werden dazu geboren die Welt zu beherrschen, die anderen sind 'Untermenschen'. Zwangsläufig denkt man an die kruden Rassentheorien des Dritten Reiches, nur ist man bei 'Gattaca' schon so weit, dass man mittels Genforschung nichts mehr dem Zufall überlässt und so 'perfekte' Menschen heranzieht. 
Der Hauptdarsteller, dessen Name Vincent Freeman auch gleich eine Beschreibung seiner Entstehung beinhaltet, ist ein natürlich gezeugtes Kind, mit allen Schwächen, die eben menschlich sind und nicht würdig den Namen seines Vaters zu tragen. Erst der zweite Sohn, künstlich gezeugt und unter vielen befruchteten Zellen auserwählt, bekommt den Namen Anton, wie sein Vater. 
Vincent wird ständig vermittelt, dass es sich nicht lohnt Ziele zu haben und beweist am Ende doch, das er der Stärkere ist. Sein Gegenspieler im Film ist nicht nur die Gesellschaft mit all ihren Normen und falschen Idealen, sondern auch konkret sein Bruder. Ähnlichkeiten mit Kain und Abel sind naheliegend. Zweimal kommt es zu einem direkten Duell. Der der sich traut am weitesten ins Meer hinaus zu schwimmen gewinnt. Auf die Frage Antons wie Vincent gewinnen kann, wo er doch mit allerlei 'Unzulänglichkeiten' ausgestattet sei, antwortet er: "Ich habe mir nie etwas für den Rückweg aufgespart."
Zwei Weisheiten beinhaltet der Film in meinen Augen: Der Mensch hat nicht das Recht in die Entstehung von Leben einzugreifen und darum herum zu manipulieren. Und erst recht nicht, wenn es nur um die egoistischen Idealvorstellungen werdender Eltern geht. Die andere Weisheit ist, wenn sie  auch etwas naiv klingen mag, dass der eigene Wille stärker ist als die äusseren Umstände.

Marin Country Ciciv Center

Nun war aber das eigentliche Ziel des Posts auch ein ästhetisches Meisterwerk vorzustellen, dass manchmal etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Kostüme und Ausstattung sind grandios, aber alles wird noch von den unglaublichen 'Kulissen' getoppt. 
Unweigerlich fühlt man sich in die späten 1950-er Jahre versetzt, obwohl eine zeitliche Einordnung des Filmes strickt vermieden wird. Die Autos sehen kaum anders aus als in Mad Men, stellen sich dann aber als elektrisch betrieben heraus. Ähnlich verhält es sich mit anderen Hausgerätschaften. Und selbst bei den Computern hat man es geschafft Geräte zu finden, die nicht den optischen Stand von 1997 widerspiegeln, sondern als zeitlos und clean gewertet werden können.
Zuallererst gilt es natürlich ein Auge auf die Architekturen zu werfen. Frank Lloyd Wright's Marin Country Civic Center ist das Herz von Gattaca. Vor allem die zentrale Halle mit dem tonenförmigen Glasdach taucht immer wieder auf. Es war die letzte Arbeit des großen Architekten, er verstarb 1959 noch während der Fertigstellung des Gebäudekomplexes. Bereits 1971 drehte Georg Lucas die Zukunftsvision 'TH 1138' dort, dessen Tradition auch 'Gattaca' folgt. Ganz allgemein sind Wright's Häuser gern gesehene Kulissen für in der Zukunft angesiedelte Filme. 'Blade Runner' spielt in einem seiner Texture Stone Buildings in L.A., und wie oft kam schon das Guggenheim Museum in Filmen vor?
Aber auch andere Gebäude spielen eine nicht unwesentliche Rolle. Zum Beispiel 'wohnt' der echte Jerome in einen Gebäudekomplex, das eigentlich Büros und Loboratorien beherbergt, und die von Uma Thurman gespielte Irene in einem Haus von Richard Neutra. 
Gleich ist allen Architekturen, dass sie die Farbstimmung aufnehmen. Man hat immer das Gefühl die Sonne geht gerade unter, ein weiches Orange liegt über vielen Szenen. Und dann gibt es noch die mehr als poetisch komponierte Szene, wenn die Sonne über den Solarspiegeln aufgeht. Die Schönheit von Technik wurde wohl seltener besser in Bildern eingefangen. Die Wärme des orangenen Lichts steht im Kontrast zum eisigen Blau der Labor- und Officeszenen. 
Im Inneren der Wohnungen regieren dann die Meister der Bauhaus-Ära. Es finden sich Möbel von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. 

Giorgio Armani / Calvin Klein Collection

Und dann ist da ja noch die Mode. Na ja, es sind eher Uniformen. Schnörkellos sind sie gekleidet, tragen zweireihige Anzüge und Hemden mit gestärkten Kragen. Es ist pure Perfektion. Im Gegensatz dazu die Eleganz von Irene, wenn sie ihr Rendevous mit Vincent hat. Das goldene Kleid nimmt wieder die Farbsymbolik auf und lässt selbst die Fluchtszene erstrahlen.
Hier kommt dann auch der Brückenschlag von der Filmkritik hin zum Thema Mode. Ich habe in den aktuellen Kollektionen je zwei moderne Adaptionen für die Kleider Ethan Hawke's und Uma Thurman's rausgesucht. Wirklich schwer ist das nicht gewesen. Allerdings geht es nicht darum die Look eins zu eins abzubilden, sonder eben zeitgemässe Entsprechungen zu finden.

Jil Sander / Donna Karan

Ich möchte jedem der sich für gute Filme interessiert 'Gattaca' an Herz legen. Der Stoff ist aktueller den je. Aber auch wer sich für Mode und Stil im Film interessiert, wird den Film lieben. Er gehört vom ästhetischen Standpunkt aus in eine Reihe mit 'A Single Man' und 'Frühstück bei Tiffany'.
Viel Spass beim anschauen!

Bilder von hier, hier und hier