2011/03/31

Untertreibungskünstler...


Mode kommt von der Straße. Oder Mode wird von dem beeinflusst, was auf der Straße getragen wird. Manchmal sind dieses Einflüsse kaum sichtbar, sind kleine Glühwürmchen im Getümmel, und manchmal schlagen einem die Inspirationen mit voller Wucht entgegen und man ist kaum in der Lage in Deckung zu gehen. Im Falle der für den Sommer vorgeschlagenen Handtaschen von Jil Sander ist letzteres der Fall und man denkt unweigerlich an den Gemüsehändler ums Eck: Taschen aus PVC, Leder und Stoff deren Form und Schnitt den Beuteln gleichen, in denen man sein Obst nach Hause trägt.
Natürlich kann man bei der Sanderschen Kreation einen Zwischenhenkel einfügen und sie so auch über die Schulter tragen, die Idee dahinter ändert sich aber kaum. Was ist es also das Designer immer wieder veranlasst in Sachen Design so derart tiefzustapeln?
YSL verkauft für 120 Euro ‚Jutebeutel’, bei Céline finden sich schlichte und bis auf ein Minimum reduzierte Lederschopper, doch im Gegensatz zu den von Raf Simmons geschaffenen Tüten wecken diese Teile Begehrlichkeit. Beim PVC-Beutel muss man gewahr sein, dass eine unwissende Haushälterin (Ich unterstelle den Jil Sander Kundinnen mal, eine solche zu haben) angebraunte Bananenschalen darin zum Müll bringt.


Wir sind ja einiges gewöhnt. Als Marc Jacobs für Louis Vuitton FS-2007 ‚Türkenmarkttaschen’ über den Laufsteg schickte, war diese für mich schon der Tiefpunkt. Mit dem Müllsack im vergangenen Jahr schaffte er es aber die noch zu unterbieten. Und gleichzeitig verzeiht man ihm solche Ausrutscher, erwartet sie sogar fast von ihm. Doch wer hätte gedacht, dass Raf Simons noch weiter gehen würde?


Untertreibung in der Mode ist ein Phänomen. Es geht da um die Kunst etwas wirklich luxuriöses, unbeschreiblich Teures als gewöhnlich und nichtig darzustellen. Man kann es zum Beispiel an sehr stilvollen Herren sehen, leichte Spuren von Abnutzung an Manschette und Kragen des handgenähten Hemdes von Charvet sind ebenso Zeichen dafür wie Lederflicken am Ellenbogen des Jahrzehnte alten Tweedsakkos. Hier geht es nicht darum, dass sich der Träger nichts Neues kaufen könnte, es soll eher Bodenständigkeit suggeriert werden. Oder die zerlöcherten Balmain Shirts im letzten Sommer, extrem abgeranzt und extrem teuer! Das gegenteilige Verhalten sieht man an aufstrebenden Emporkömmlingen, Neureichen die mittels Marken und sichtbarem ‚Luxus’ ihren Status darstellen möchten.
Es stellt sich die Frage, wer diese Taschen also schlussendlich kaufen wird. Beide Gruppen kommen dafür in Frage. Die einen, weil die Taschen nach Bodenhaftung aussehen und die Anderen, weil sie von Jil Sander sind. Es liegt an uns die Beweggründe der Trägerin zu dechiffrieren. Nur eines ist vollkommen klar: das Plagiat von H&M ist inakzeptabel, unlauterer Wettbewerb, weil dabei die Botschaft sonnenklar ist!

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