2011/03/30

(K)Eine Typfrage...


Frühling, Sommer, Herbst und Winter – für die einen sind das einfach nur Jahreszeiten, manche Menschen bilden aber eine ganze Philosophie darum. Bei Facebook habe ich gestern ein Bild vom Branchentreffen der Fachfrauen (und eines Fachmannes) in Sachen Farb- und Typberatung gesehen. Schon länger hatte ich vor mich des Themas mal anzunehmen, heute ist es also so weit. Ich komme auch nicht umhin vorwegzunehmen, dass ich dieses Thema amüsant bis lächerlich finde. Warum dies der Fall ist, werde ich aber im Text noch erläutern.
Ich interessiere mich ja schon sehr lange für Mode. Mitte der 90-Jahre flatterte immer der Weltbildkatalog ins Haus und einmal wurde dort ein Buch zu Farb- und Typberatung angeboten. Damals vielleicht 14, glaubte ich darin essentielles über Mode erfahren zu können. Fast möchte ich behaupten, dass ich davon ausging ein Yves Saint Laurent oder Karl Lagerfeld würden mit Farbfächer und Tüchern umherwedeln, um den typgerechten Rosaton für ihre jeweiligen Kundinnen zu finden. Oder die erste Handlung ‚guter’ Verkäuferinnen in luxuriösen Boutiquen wäre es herauszufinden, ob Frau eher kalter oder warmer Typ ist.
Unterstützt wurde diese Annahme durch eine der wenige Modesendungen im deutschen Fernsehen „Mode, mal Ehrlich“. In dieser Fachsendung tänzelten Modelle nicht nur durch idyllische Hotelanlagen und steckten die Nase verträumt in jede sich bietende Hibiskusblüte, es gab auch immer ein bis zwei ‚flotte’ Umstylings, in denen die mitteldeutsche, mittelalte Durchschnittsfrau nach Strich und Faden beraten wurde und meist einen ‚peppigen’ Rotton aufs Haupt gezaubert bekam. Ihre Kleidung wurde dann typgerecht zusammengestellt, und sicherlich nicht nur einmal wurde erwähnt das Inge, Erika oder Rosemarie eben Frühlings-, Sommer-, Herbst oder Wintertypen seien und deshalb auf jeden Fall diese und jenen Farben tragen müssen um ihren Typ ‚bestmöglich’ zur Geltung zu bringen. Die Damen strahlten dann wie Honigkuchenpferde kurz vor der Heiligsprechung, und die jeweiligen ‚Stylistinnen’ in ihren typgerechten Hosenanzügen nicht weniger.
Gold und Silber, damit fängt alles an. Schwungvoll werden der vor dem Spiegel platzierten Kundin Tücher umgelegt und dieser dann überzeugend klar gemacht, dass sie einer der vier Jahreszeiten zuzuordnen sei, also ein frisch, duftiger Frühlingstyp ist oder doch eher mit kalten, winterlichen Farben am besten aussehe. (Wenn Silber strahlen lässt, ist ein Sommer- oder Wintertyp. Und bei Gold eben Frühling oder Herbst.) Der Tücherreigen geht dann weiter, wird zum expressionistischen Fächertanz. Am Ende wird die Kundin feststellen, dass sie 90% ihres Kleiderschrankinhaltes bitte umgehend zu verbrennen hat und das Lieblingskleid ja sowieso gar nicht geht. Jeder Verwandlung scheint das komplette Zertrümmern eh schon wackeliger Persönlichkeitsreste vorauszugehen, denn die Kernaussage von ‚Fachleuten’ auf diesem Gebiet ist ja meist: ‚Das geht so nicht, das können sie nicht tragen.’
Was dann folgt ist klar, die Dienste der Beraterin gehen nun erst richtig los. Oder warum sind Farb- und Typberaterinnen meist gleichzeitig auch EinkaufsberaterInnen? Die Kundin zieht dann mit ihrer neuen besten Freundin los, quasi immer mit der Erkenntnis im Nacken ohne sie nicht mehr lebensfähig agieren zu können. Und sollte sie sich doch mal ohne Beratung in die Einkaufswelten stürzen, hat sie immer den Frühlings-, Sommer-, Herbst oder Winterfarbfächer in der Handtasche. Dieser wird zur Knebel, gemahnt an den eben begangenen Frevel.
In dieser Saison wird die Farbe gefeiert wie schon lange nicht. Rot, Pink und Orange stehen zur Auswahl und werden an liebsten untereinander kombiniert. Ein pinkfarbener Hosenanzug mit Schößchen in Orange ist ebenso wenig falsch, wie wilde Riesenblumen in alle Farben des Regenbogens. Den Damen und Herren vom ‚Fach’ muss doch bei diesem Anblick ein kalter Schauer über den Rücken laufen, schließlich geht alles und auch noch zusammen.
Ich finde es braucht diesen Job nicht. Um zu wissen welcher Typ man ist, kann man einfach sehen was einen besser zu Gesicht steht. Man sollte aufmerksam und selbstreflektiert vor den Spiegel treten, offen für Anderes sein. Und letztendlich ist die Mode ein schnelllebiges Ding, Pink wird im nächsten Jahr eh schon wieder durch etwas Neues ersetzt. Ich für mich weiß was ich tragen kann und was nicht, welche Farben mein Wohlbefinden steigern können. Und zwar einfach deshalb, weil ich auch Fehlgriffe zulasse. Wie arm wäre die Mode, wenn jeder nur die Farben tragen würde, sie von selbsternannten FarbexpertInnen für einen ausgewählt worden wären!?
Mein Plädoyer: Hört auf den Quatsch zu glauben. Die meisten dieser Damen haben ihr Wissen in überteuerten Wochenendseminaren* erlangt und geben es nun zu noch unverschämteren Preisen weiter. Schaut sie euch an, tragen Frauen die eine Ahnung von Mode haben wirklich schlechte Hosenanzüge, flotte Kurzhaarfrisuren und fetzige Brillen? Kauft euch Blätter wie die InStyle, mit den Anregungen kann man wenigstens was anfangen.


*) Wochenendkurse bietet der Interessenverband deutscher Farb- und Stilberater e.V. an. Sie kosten zwischen 500 und 900 Euro.