Mode im Wien der Ringstraßenzeit, das bedeutet Mode zwischen 1857 und 1914. Es ist die Blütezeit Wiens, die Ära Franz Josefs I. und natürlich Elisabeth's. Ähnlich wie in Paris änderte sich in dieser Zeit das Stadtbild. Nach der Revolution von 1848 veranlasste Kaiser Franz Josef I. die Umgestaltung des Stadtringes und lies einen breiten Boulevard anlegen. Diese Prachtstraße bildet nun den Hintergrund des heutigen Vortrags.
Ort: Vortragssaal im Kulturforum
Beginn: 18:00 Uhr
Und so war's: Eingeleitet wurde der Vortrag von Dr. Regina Karner, Leiterin der Kostümsammlung am Wienmuseum, mit einem Straußwalzer. Diese Leichtigkeit ließen die kommenden 90 Minuten wie im Fluge vergehen und außergewöhnlich hohe Zuhörerzahl hatte die Möglichkeit in eine spannende Epoche einzutreten.
Nun ist Wien nicht Paris und sicherlich war die Mode gemässigter als im Paris dieser Jahre. Während an der Seine die Couture erfunden wurde und die Mode zu phantastischen Exzessen beflügelte, war im Wien dieser Jahre Zurückhaltung groß geschrieben. Die beiden die Mode bestimmenden Gruppen waren der Adel und allen voran das Kaiserhaus und das aufstrebende Bürgertum. Letztere versuchten die Gepflogenheiten des Adels nachzuahmen. In der Architektur zeichnet sich dies in den Palais und aufwendigen Bürgerhäuser entlang der Ringstraße aus, in der Kleidung wurden die Dresscodes der Oberschicht nachgeahmt. Wichtig war in alles Fällen vor allem Zurückhaltung, auffallen oder protzen galt als vulgär. (Umgangssprachlich wurden die Ringstraßenpalais übrigens auch als Palazzo Protzki bezeichnet, wie später dann auch der 'Palast der Republik in Berlin')
Es war genau vorgeschrieben welche Kleidung zu welcher Tageszeit angebracht war. Für die Damenmode galten die Regeln ebenso wie für die Herrenbekleidung. Letztere trugen am Tag den Salonrock, einen zweireihigen Gehrock mit aufsteigenden Revers. Zu formelleren Anlässen wurde der Cut getragen und je nach Anlass variierte die Farbe der Krawatte. Am Abend trug Mann dann Frack. Accessoire waren Gehstock und Hut; Bowler, Zylinder oder ein flacher Stohhut im Sommer.
Bei den Damen waren die für die jeweilige Uhrzeit und den jeweiligen Anlass bestimmten Bekleidungen viel mehr reklementiert. Vom Negligé am Morgen zum Empfang von Gästen, weibliche Familienangehörigen und verheiratete Männer, über die Besuchs- und Promenadentoilette bis hin zum Ballkleid musste jedes Outfit wohl überlegt sein. Vor einem Theaterbesuch hat sich die Dame über das Stück informieren müssen, zu Operette konnte sie Dekollté zeigen, bei Oper oder ernsten Theaterstücken galt dies als unschicklich und hochgeschlossene Kleider waren die richtige Wahl. Accessoires wie Sonnenschirm für einen blassen Teint und Fächer waren unumgänglich, und natürlich der Hut. Die Capote wurde bis in frühe 20. Jhd. getragen, dann kamen Wagenräder in Mode. Um 1880 wuchsen die Capoten in die Höhe. Diese Teile wurden damals auch noch bei Theaterbesuchen getragen und versperrten weiter hinten sitzenden Zuschauern die Sicht, was aber letztendlich zum Hutverbot im Wiener Burgtheater führte.
Das Theater war allgemein ein wichtiger Ort für gesellschaftliche Zusammenkünfte. Und die Stars des Theater waren die Stilikonen dieser Zeit. Die berühmte Schauspielerin Katharina waren eine dieser Ikonen. Sie war eine enge Vertraute Kaiser Franz Josefs I. und wurde somit auch zum Stilvorbild. Aber natürlich eiferte selbst sie nur einer nach, Kaiserin Elisabeth. Ihre legendäre schmale Taille, Umfang 48cm, und die langen, vollen Haaren denen sie viel Aufmerksamkeit schenkte machten die zur Legende. Nicht zuletzt wegen der von Franz Xaver Winterhalter gemalten Bilder.
Doch Elisabeths Menschenscheu waren dem Starkult eher abträglich, die Wiener Gesellschaft suchte nach 'greifbareren' Leitfiguren. Pauline Fürstin von Metternich schien prädestiniert dafür. Unter Napoleon III. war ihr Mann österreichischer Gesandter in Paris. Angeblich, und das war auch nicht Vortragsthema heute, war sie auch die größte Fürsprecherin für Charles Frederic Worth und brachte Kaiserin Eugénie dazu bei ihm Kundin zu werden. Ihre Rückkehr nach Wien 1871 machte sie also augenblicklich zur Modeikone. Weitere Ikonen waren der Schauspieler Alexander Schirardi und der Bürgermeister D. Karl Lueger.
Die Nähe zum Kaiserhaus und dem hohen Adel war besonders für die wichtig, die ihr Geld mit Modewaren verdienten. K.u.K. Hoflieferant war für die zweite Gesellschaft, also das Großbürgertum, nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine Erfolgsgarant. Christoph Drecoll war der wichtigste Couturier der Donaumonarchie, mit Dependancen in New York und Berlin. Aber auch G.&E. Spitzer (Besuchstoiletten*), Rudolf Scheer & Söhne (Schuhe) und Betty Galimberti (Modistin) waren nicht weniger bekannt und erfolgreich.
Diese Blütezeit der Ringstraße als gesellschaftliche Bühne der Donaumonarchie endete jäh am 28. Juni 1914 und der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo.
Die Vortragsreihe wird am 25.02. fortgesetzt. Das Thema 'Mode und Futurismus' wird aber sicherlich weit weniger Besucher anziehen als das Wien der Sissi-Zeit.
*Der Begriff Tiolette ist in dem Fall eine Bezeichnung für Kleidung und hat nichts mi dem heutigen Gebrauch des Wortes zu tun. Es kommt aus dem französischen und ist von 'toile', also Stoff abgeleitet.