2011/10/11

Modemaler...


Was die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts betrifft, so fällt uns wohl zuerst der französische Hof, das schillernde Rokoko und eine am Ende recht kopflose Marie Antoinette ein. Doch spätestens ab den 1770-er Jahren wurde die Mode nur noch bedingt von dort diktiert. Hinzu kam nun eine Mode aus England, deren Wurzeln im aufkommen eines bürgerlichen Standes lagen und selbst die Mode am Hof massgeblich veränderte. Chronist dieser Epoche ist Thomas Gainsborough.
1727 wurde der Maler in Sudbury geboren. Es liegt circa 100km von London entfernt; heute bedeutet das eine Stunde mit dem Auto, zu Gainsborough's Zeiten kam das einer Weltreise gleich. Mit 17 Jahren kam er nach London um eine Lehre als Silbergraveur zu machen. Bedingt durch sein Umfeld, er treibt sich viel mit William Hogart und anderen Künstlern rum, wird ihm allerdings schnell klar, dass er eher in der Malerei seine Zukunft sieht. 
Dreh und Angelpunkt der englischen Society ist das noble Örtchen Bath, mit seinen in der Zeit berühmten Bädern. Wollte man Zutritt zur besten Gesellschaft, ohne von Geburt an Teil dieser zu sein, war es am einfachsten all den Lord's und Lady's während des Kurens und der Sommerfrische zu begegnen. 1759 zog Thomas Gainsborough dorthin, inzwischen verheiratet mit der illegitimen Tochter eines Duke of Beaufort. Die Mitgift betrug 200 Pfund, das wären heute wohl irgendwas um die 30.000. Es war sicher als Startkapital ganz nett, aber das Leben eines Edelmannes war nicht drin. Vor dem Umzug malte er zwar auch schon, aber nur lokale 'Persönlichkeiten', Kaufleute und Kleinstädter, und natürlich war das alles ziemlich schlecht bezahlt. Man findet auch nicht wirklich Bilder aus dieser Zeit, zumindest keine die die Eleganz späterer Jahre haben.

Der Morgenspaziergang, Mr. und Mrs. William Hallett, 1785
In Bath studierte er dann erstmal das Werk Anton van Dyck's, sieht man auch. Er hat viel gelernt von diesem Meister. Ganz direkt vergleichen kann man wohl Gainsborough's 'Blue Boy' (Jonathan Buttall, 1770) mit van Dyck's Bildnis von Lord John Stuart und dessen Bruder Lord Bernard (circa 1638). Der Junge in blauem Seidenornat ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, sieht eher aus wie ein Chavalier zu Zeiten der Restauration. Er schaut stolz, wie ein Kind im Faschingskostüm. Verglichen mit van Dyck ist der Pinselduktus viel fliegender, nicht so darauf bedacht alle Details dazustellen. Wichtiger war eine Gesamtwirkung. Wieder hundert Jahre später sind es Boldini und Degas die diese Art zu malen aufnehmen und deren Portraits auf ähnliche Art und Weise Leichtigkeit gewinnen. (Darf man eigentlich Boldini mit Degas gleichsetzen?)
Auch die Art, wie Gainsborough seine Personen in Landschaften einbettet, geht auf van Dyck zurück. Vergleicht man die Hintergründe späterer Arbeiten mit denen aus den Jahren vor Bath fällt auf, wie sehr er sich da von realistischen Darstellungen abwendet und seine Protagonisten in schemenhafte Kulissen einbettet. 1748 malte er Mr. und Mrs. Andrews noch Schafe mit aufs Bild, und eine typisch englische Landschaft. Das Bild diente zur Darstellung von Wohlstand und Besitz, das junge Paar wollte zeigen, was es hatte. Und auch wenn es nicht zu Gainsborough's besten Arbeiten gehört, brachte es den Erben der Andrews 1960 doch immerhin die stolze Summe von 1,4 Millionen Mark ein. Das verändert sich ab 1760 immer mehr. Stimmungen werden wichtig, Schafe gibt's keine mehr.

Elizabeth Haverfield, circa 1780
Auch wie sich die Mode verändert lässt sich in den Bildern gut erkennen. Die englische Mode der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nimmt zumindest in der Männermode das vorweg, was wir noch heute tragen. Die pastose Farbigkeit des Rokoko wurde ersetzt du praktischere Kleidung. Die Reitkleidung war es die diese kleine Revolution zuerst mit sich brachte. Die Westen wurden kürzer, die Hosen enger und auch die Rockschöße lagen nun schmal am Körper an. In den 1770-er Jahren kam diese Mode übrigens auch nach Deutschland, Sportsfreund Goethe und sein 'Werther' brachten den Look mit sich. 
Mr. Andrews, und auch der restliche englische Landadel, trugen Kleider aus Wollstoffen, statt wie bei Hofe aus Seide. Und irgendwann setzte sich auch im englischen Hochadel der Look durch, Seide wurde noch bei hochoffiziellen Anlässen getragen. Ein zweiter Bruch kam dann nochmals um 1780, als der Adel wieder seidene und teils reich bestickte Westen unter dem dunklen Frack bevorzugte. Man wollte sich halt doch wieder abgrenzen. Daraus gingen die Dandy's hervor, und selbst heute setzt man noch modischen Akzente mit der richtigen Weste unter dem Cutaway. 
Die Kleidung der Frauen änderte sich auch, es entwickelte sich die 'robe à l'anglaise'. Statt Wollstoffe trugen die Damen aber leichte Baumwollstoffe, deren Luxus in den Fadenstärken lag. Feine Batiste waren kaum weniger elegant als Seidenstoffe. Der Reifrock wurde weggelassen und durch kleine Hüftpolster ersetzt, welche die Silhouette schmaler erscheinen liessen. Auch die Ausschnitte wurden kleiner, die Ärmel der Kleider länger; insgesamt kann man es wohl als zurückhaltende Eleganz bezeichnen. Das 'Journal des Luxus und der Moden' schrieb: "Sie ist einem wohlgewachsenen Körper überaus vorteilhaft, zeigt eine schöne Taille, ... und hat überhaupt das edle und prunklose Ansehn einer geschmackvollen Simplicität und Wohlanständigkeit, welches die Reize des schönen Geschlechts so sehr erhöhet."
Man muss sich nur Filme wie 'Barry Lyndon' oder 'Die Herzogin' anschauen um die Wirkung dieser Kleider zu sehen. Beide Filme sind diesbezüglich gut recherchiert und spiegeln die Zeit gekonnt wieder. Die Grazie einer Marisa Berenson ist von den Frauenfiguren eines Thomas Gainsborough nicht unwesentlich inspiriert. Schon allein die so auftoupierte Haare hatte man höchsten noch bei Guy Bourdin nochmals so gesehen.

John Galliano, 1993
Natürlich haben diese Werke auch einen Einfluss auf die Mode gehabt, und haben sie auch immer noch. Gerade bei den englischen Modedesignern wie Vivienne Westwood und dem frühen John Galliano stand und steht das ausgehende 18. Jahrhundert hoch im Kurs. 
Vivienne Westwood kann gar nicht anders, als immer wieder in den Fundus der Geschichte zu gehen. Schaut man sich die Looks aus der Männerkollektion für den aktuellen Herbst an, finden sich viele Anleihen. Die Revers, die Art wie die Jacken geschlossen werden, kann man ziemlich genauso auch bei Gainsborough entdecken. Modern sind beide, selbst der der schon über 220 Jahre tot ist. 

Vivienne Westwood HW-2011
Auch Andreas Remshardt, ein in Berlin ansässiger Designer mit einem Atelier unweit vom Zionskirchplatz ist davon beeinflusst. Vivienne Westwood wird daran nicht ganz unschuldig sein, schließlich war er einer ihrer Schüler an der UdK, aber man muss schon auch ein Faible für diese Mode mitbringen. 

Andreas Remshardt
Nun lege ich allen ans Herz mal die örtlichen Museen nach Gainsborough's zu durchforsten und sich selbst ein Bild vom Chronisten der englischen Society zu machen. Man kann viel entdecken, und man kann die Mode der Zeit vortrefflich studieren. Und wer keine Lust auf Museum hat, kann sich ja eine Film einlegen. Selbst in Sofia Coppola's 'Marie Antoinette' kann man erkennen, wie die englische Mode das ausgehende 18. Jahrhundert prägte.